Das Deutsches Reich von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt

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Das Deutsche Reich: großdeutsch oder kleindeutsch?

Der Westfälische Frieden hatte nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) die Teilung Deutschlands in mehr als 300 Einzelstaaten bekräftigt. Das südlichste der deutschen Länder, Österreich, überwand die Schrecken des Krieges ebenso wie Brandenburg-Preußen schneller als die anderen. Es begann die politische Loslösung Österreichs vom Heiligen Römischen Reich. Mit dem Ende des Türkenkrieges (1683-1699) wurde im Frieden von Karlowitz die österreichische Herrschaft über Ungarn, Siebenbürgern, großen Teilen Slawoniens und Kroatiens errichtet. Österreich war damit zu einer europäischen Großmacht geworden und sicherte damit seine Vorherrschaft in Mitteleuropa.

Westfälischer Friede, Friedenstraktat von Münster vom 24.Oktober 1648

Zur zweiten bedeutenden Macht entwickelte sich Preußen. 1660 konnte Brandenburg im Kampf zwischen Schweden und Polen um die Vormachtstellung an der Ostsee das Kurfürstentum um das Herzogtum Preußen erweitern. Im Frieden von Oliva erkannten Schweden und das Reich die Souveränität des Kurfürsten über das nicht zum Heiligen Römischen Reich gehörende Preußen an.
Österreich gewann die spanische Niederlande, Mailand, Mantua, Neapel und Sizilien. Preussen hatte 1701 die Anerkennung als Königsreich erreicht, das sich allmählich auf den gesamten Besitz der brandenburgischen Hohenzollern ausdehnte. Preußen konnte sein Gebiet um Vorpommern bis zur Peene erweitern. Unter Friedrich II.(1740-1788) erlangte Preußen den Aufstieg zur Grossmacht. Mit der Zentralisierung der Staatsgewalt, dem Ausbau des stehenden Heeres und dem Ausbau des Regierungs- und Verwaltungsappartes waren dazu die Voraussetzungen geschaffen. Im Österreichischen Erbfolgekrieg 1741-1748 verzichtete Österreich gegenüber Preußen im Frieden von Breslau 1742 auf Schlesien. Preußen gewährte dafür Österreich seine Neutralität und die Anerkennung Franz I. (1745-1765) als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Maria Theresia und Gatte Franz von Österreich

Mitte des 18. Jahrhunderts war Preußen neben Österreich soweit erstarkt, daß beide Mächte im Siebenjährigen Krieg 1756-1763 um die Vormachtstellung unter den deutschen Einzelstaaten kämpften. Obwohl sich am Ende des Krieges das Kräfteverhältnis zwischen den beteiligten Staaten nicht wesentlich geändert hatte, begann Preußen auf dem europäischen Schauplatz eine bedeutende Rolle zu spielen. Der Krieg leitete aber auch den österreichisch-preußischen Gegensatz ein, der 1871 zur Gründung des Deutschen Reiches führte. Preußen war neben Österreich zur zweiten deutschen Großmacht aufgestiegen.

Die Erste Teilung Polens 1772 fand unter der wesentlichen Beteiligung Friedrichs II. (1740-1786) von Preußen statt, indem Polen 50 Prozent seiner Einwohner und 40 Prozent seines Territoriums an Preußen, Österreich und Rußland abgeben mußte. Nach der Zweiten (1793) und der Dritten Teilung Polens 1795 ist Polen ganz von der Landkarte verschwunden und unter den beteiligten Ländern verteilt. Im Ergebnis der Annexion Polens wuchs die Bedeutung Preussens in Europa, schwächte jedoch seine Rolle in Deutschland auf dem Weg zu einem unabhängigen Nationalstaat. Mit dem großen Teil Polens befand sich Preußen auf dem Weg zum Zwei-Nationen-Staat, ähnlich dem österreichischen Staat.

Die Lage des Königreichs Polen im Jahr 1773

Die Gründung eines deutschen Nationalstaates stand in Europa des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt. An die Stelle des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (bis 1806) trat der Deutsche Bund (1815-1866) unter Österreichs Führung, zusammengesetzt aus 37 souveränen Fürsten und vier freien Städten. Oberste Behörde war der Bundestag in Frankfurt am Main, eine Versammlung von Vertretern der Bundesstaaten unter dem Vorsitz des österreichischen Gesandten. Die Bundesstaaten unterlagen der Mitgliedspflicht im Bund. Seine Mehrheitsbeschlüsse wurden bindend. Österreich und Preußen gehörten nicht mit ihrem ganzen Gebiet dem Bund an, und zwar Österreich nicht mit seinen polnischen, ungarischen und italienischen Gebietsteilen, Preußen nicht mit den Provinzen Preußen (West- und Ostpreußen) und Posen.

Der Wiener Kongreß

Der Deutsche Bund stellte jedoch insgesamt eine Weiterentwicklung Deutschlands gegenüber dem alten Reich dar. Die Zersplitterung der deutschen Kleinstaaten war auf 41 reduziert worden. Von Beginn an wurde die Politik des Bundes jedoch beherrscht von der Rivalität der beiden größten deutschen Staaten Österreich und Preußen. Die Außen- und Innenpolitik Österreichs war für Europa und Deutschland auf die Erhaltung der Verhältnisse von 1815 bestimmt. Außer zur Durchsetzung der Restauration diente der Bund Österreich vor allem auch als Instrument, eine nationalstaatliche Einigung Deutschlands zu verhindern, die Österreich entweder ausgeschlossen ( kleindeutsche Lösung) oder gespalten ( großdeutsche Lösung) hätte. Es zeigte sich, dass ein deutscher Nationalstaat nur bei Aufgabe des Habsburger Vielvölkerreiches oder unter Ausschluss der österreichischen Deutschen möglich war. Die Einheit der habsburger Monarchie wurde aber von Seiten Österreichs über die Einheit der deutschen Nation gestellt.

Der Mann der Zeit

Wirtschaftliche Erwägungen spielten eine wesentliche Rolle beim Zusammenschluß vieler deutscher Staaten im Deutschen Zollverein 1833/1834. Das Recht der Einzelstaaten im Deutschen Bund, ihre inneren Angelegenheiten wie Zolltarife, Verkehrswege und Währung selbst zu bestimmen, hatte sich als wirtschaftliches Hindernis erwiesen. Österreich hatte nach 1815 kein Interesse an der Schaffung einer Zollunion gezeigt. Der Deutsche Zollverein stand daher unter der Führung von Preußen und unter dem Ausschluß Österreichs. Diese Politik provozierte wesentlich den Ausbruch der Märzrevolution von 1848, in deren Folge der Deutsche Bund aufgelöst wurde. Beide Länder erhielten als Staat eine Verfassung. Nach dem Scheitern der Revolution 1848/49 wurde der Deutsche Bund auf Initiative Österreichs 1850 wieder begründet. Österreich wollte eine kleindeutsche Lösung und stellte den Großmachtanspruch in Europa. Durch Teilnahme am Rußisch-Türkischen Krieg 1854-1856 konnte Österreich die Donaufürstentümer besetzen.

Das Lichten eines Hochwaldes

Das Ringen um die Vormachtstellung in Deutschland zwischen Österreich und Preußen setzte sich auf wirtschaftlichem Gebiet fort. Preußen konnte die Einbeziehung Österreichs in den Deutschen Zollverein (1853/1862/1865) verhindern und damit seine wirtschaftliche Vormachtstellung schaffen. Das brachte im Zusammenhang mit der beschleunigten bürgerlichen Entwicklung in Preußen einen wesentlichen Vorteil gegenüber Österreich bei der Lösung der deutschen Frage. Auf politischem Gebiet versuchte Österreich, sein Übergewicht im Bund zu halten. Auf dem Frankfurter Fürstentag 1863 verfolgte Österreich eine Reform der Verfassung des Deutschen Bundes unter Beibehaltung seiner Hegemonie. Der Fürstentag scheiterte an der Forderung Preußens – das auf Betreiben Bismarcks am Fürsentag nicht teilnahm – nach Gleichberechtigung im Bundesvorsitz. Österreich verlor damit die Vormachtstellung an Preußen und richtete zukünftig seine Politik mehr auf Südosteuropa aus.

Der Orkan Bismarck stürmt über Europa

1864 führte Preußen gemeinsam mit Österreich Krieg gegen Dänemark, das schließlich Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten musste. Der sich verschärfende Dualismus mündete auf Grund des österreichisch-preußischen Konflikts über die Reform des Deutschen Bundes 1866 in den Deutschen Krieg, an dem der Bund letztendlich zerbrach. Seine Nachfolge trat im selben Jahr der kleindeutsche Norddeutsche Bund an.

Der Deutsche Krieg war die Folge der preußischen Politik seit Friedrich II.(1740-1786) und Otto von Bismarcks (1862-1888), der die deutsche Verfassungsfrage durch Gründung eines Deutschen Reiches unter Führung Preußens mit Ausschluß Österreichs zu lösen suchte. Im Ergebnis des Krieges erlangte Preußen die Zustimmung Österreichs zur Auflösung des Deutschen Bundes sowie in Norddeutschland eine Gebietserweiterung. Auf der anderen Seite erfolgte die Gründung der Österreich-Ungarischen Monarchie (1869-1918).

Die Eroberung der Düppeler Schanzen

Mit Gründung des Norddeutschen Bundes 1866/1867 durch 22 deutsche Staaten, zu dessen Gunsten Preußen auf selbständige Regelung der auswärtigen Angelegenheiten, des Handels, der Zölle, der Post, des Heeres und der Marine verzichtete, wurde Preußen der leitende Staat, der preußische Minsterpräsident Bismarck Bundeskanzler. Die Vormachtstellung Preußens gegenüber Österreich war nur mit kriegerischen Mitteln durchzusetzen gewesen.

Das Kräfteverhältnis in Europa und Bismarcks außenpolitischer Kurs zur Verteidigung der Interessen des Vaterlandes führte 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg und 1871 in Paris zur Gründung des Deutschen Reiches unter Führung Preußens. Nach der Reichsverfassung vom 16. April 1871 bekam der König von Preußen den Vorsitz im Deutschen Reich; er führte den Titel „Präsidium des Bundes“ (Bundespräsidium) mit dem Namen Deutscher Kaiser.

Das sich verändernde Kräfteverhältnis im Deutschen Reich und in Europa führte zu einer aussenpolitischen Annäherung zu Österreich. Dem geheimen Verteidigungsbündnis von 1879 (Zweibund) folgte 1881 ein geheimes Neutralitätsabkommen zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Russland auf drei Jahre (Dreikaiservertrag) und 1882 zu einen geheimen Verteidigungsbündnis (Dreibundvertrag) zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Italien.

Beim Ende des Ersten Weltkrieges wurde am 12. November 1918 die Deutschösterreichische Republik ausgerufen und der Anschluß an das Deutsche Reich verkündet. Im Frieden von Saint-Germain (10. September 1919) war Österreich gezwungen, sich wieder selbständig zu erklären, den Anschluß an das Deutsche Reich aufzugeben und an die neugegründeten Republiken Polen, Tschechoslowakei, Italien und Rumänien Gebiete abzutreten.

Nach der Vereinigung der beiden deutschen Verwaltungseinheiten (1990) ist – unter Beachtung der territorialen Verluste durch die Aufrechterhaltung der Zwangsverwaltungen seitens Polens und der UdSSR (bzw. Rußland) ein „kleinst“-deutscher Staat entstanden.

Völkerrechtlich und reichsrechtlich trat die Republik Deutschösterreich am 12. November 1918 dem Deutschen Reich bei. Das Reichsgesetz vom 08. August 2019, beschlossen durch die Verfassungsorgane Bundesrath und Volks-Reichstag, trat am 17. August 2019 durch Veröffentlichung  im Deutschen Reichsanzeiger in kraft.

RGBl-1908081-Nr03 Gesetz, betreffend die Wiederherstellung der Republik Deutschösterreich

Bundesrath Deutschland

 

Deutsches Parlament




Gründung des Norddeutschen Bundes / Deutsches Reich / Nationalstaat Deutschland

Gründung des Norddeutschen Bundes, am 01. Juli 1867

Der Weg zur Bundesverfassung 1866/1867

Die Gründung des Norddeutschen Bundes war ein längerer Prozess in den Jahren 1866 und 1867. Dabei bildete Preußen mit den verbündeten Staaten in Nord- und Mitteldeutschland einen neuen gemeinsamen Bundesstaat (föderativer Staat). Vorausgegangen waren der Bundesgründung der Deutsche Krieg und die Auflösung des 1815 gegründeten Deutschen Bundes. Der Norddeutsche Bund war zwar nicht der Rechtsfolger des Deutschen Bundes, doch kamen in der Bundesgründung viele Elemente einer langen Bundesreformdebatte zum Tragen.

Als ein Anfangspunkt der Gründung kann der Reformplan vom 10. Juni 1866 angesehen werden, den Preußen für ein neues Kleindeutschland vorgestellt hatte. Im Sommer 1866 entschied es sich, dass Preußen nur in Norddeutschland einen Bundesstaat gründen konnte – unter anderem wegen des Einspruchs Frankreichs. Gedankliche Ansätze zu einer Teilung des Deutschen Bundes in Nord und Süd hatte es bereits zuvor gegeben. Im Jahr 1866/1867 war offen, ob und wann die süddeutschen Staaten jemals beitreten würden.

Der Deutsche Krieg wurde am 26. Juli 1866 mit dem Vorfrieden von Nikolsburg im Wesentlichen beendet. Österreich erkannte darin die Auflösung des Deutschen Bundes an und dass Preußen nördlich des Mains freie Hand für Gebietsveränderungen und ein neues „Bundesverhältnis“ habe. Preußen annektierte mehrere Kriegsgegner in Nord- und Mitteldeutschland und zwang die übrigen durch die Friedensverträge zum Eintritt in einen neuen Bund. Mit den Augustverträgen verpflichtete Preußen außerdem seine Verbündeten zur Bundesgründung.

Otto von Bismarck, der preußische Ministerpräsident, einigte sich mit den übrigen Regierungen auf einen Verfassungsentwurf. Am 24. Februar wurde der konstituierende Reichstag eröffnet – kein eigentliches Parlament, sondern ein Gremium, das nur über die Verfassung beraten sollte. Nach der Überarbeitung durch den konstituierenden Reichstag stimmten die Regierungen dem Verfassungsentwurf ebenfalls zu und ließen ihn auch durch die Landesparlamente annehmen. Am 1. Juli 1867 trat die Verfassung des Norddeutschen Bundes in Kraft, und zeitnah wurden die Bundesorgane eingesetzt.

Vorgeschichte

Kleindeutsche und norddeutsche Lösung

Bereits bei der Gründung des Deutschen Bundes 1815 gab es Überlegungen, Deutschland de facto in einen preußisch geführten Norden und einen österreichisch geführten Süden aufzuteilen. Neben den Teilungsgedanken kam im Revolutionsjahr 1848 eine weitere Vorstellung auf: Preußen und die übrigen Staaten in Nord- und Süddeutschland würden einen engeren Bund gründen, einen kleindeutschen Bundesstaat. Österreich, das sich mit seinen vielen Völkern nur schlecht einem Bundesstaat anschließen konnte, sollte durch einen weiteren Bund mit dem engeren Bund verbunden sein (sogenannter Gagernscher Doppelbund).

Als Preußen 1849/1850 die „Erfurter Union“ ins Leben rufen wollte, war dieser Bundesstaat zunächst kleindeutsch gedacht. Doch die süddeutschen Staaten blieben ihm fern, sodass Preußen nur den Norden geeint hätte. Letztlich boykottierten auch das norddeutsche Königreich Hannover und das mitteldeutsche Königreich Sachsen diesen Einigungsversuch, trotz Unterzeichnung des Dreikönigsbündnisses im Mai 1849.

Im Jahr 1866 spitzte sich die Rivalität zwischen Österreich und Preußen zu. Preußens Ministerpräsident Bismarck machte den übrigen deutschen Staaten am 10. Juni 1866 den Vorschlag, ein kleindeutsches Bundesparlament wählen zu lassen und die Bundesverfassung zu erneuern. Kurz darauf beantragte Österreich im Bundestag die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen, und der Deutsche Krieg brach aus.

Augustbündnis

Der Ausdruck „Norddeutscher Bund“ erscheint erstmals im Vorfrieden von Nikolsburg vom 23. Juli 1866, der zur Grundlage des eigentlichen Friedensschlusses vom 23. August mit Österreich wurde. Dort wird ein „engeres Bundesverhältnis“ erwähnt, das Preußen mit seinen Verbündeten in Norddeutschland eingehen dürfe. Gemeint war ein Bundesstaat, der über einen Staatenbund wie den Deutschen Bund hinausgeht. Auf dieses engere Bundesverhältnis wird noch im selben Absatz mit dem Ausdruck „norddeutscher Bund“ verwiesen.

Am 18. August 1866 schlossen Preußen und 15 weitere Staaten das Augustbündnis, dem sich weitere Staaten anschlossen. Im Vertrag nennt das Bündnis sich nur schlicht „Bündnis“ und spricht von einem „neue[n] Bund“, der noch zu gründen sei. Eine Bundesverfassung solle die Zwecke des Bündnisses sicherstellen. Als Zweck nennt der Vertrag nur eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die Grundlage für das neue Bundesverhältnis sei aber der preußische Reformplan für den Deutschen Bund.

Der Ausdruck Norddeutscher Bund lässt sich theoretisch sowohl auf das Augustbündnis beziehen als auch auf den Bundesstaat, der seine Verfassung am 1. Juli 1867 erhalten hat. So spricht Michael Kotulla davon, dass der Bund sich allmählich konturierte. Das Augustbündnis war jedenfalls nur ein Provisorium, auf ein Jahr begrenzt. Es war noch keine Staatenverbindung, sondern bereitete eine solche nur vor.

Bundesgründende Staaten

Staat Bedeutung Bundesbeschluss vom 14. Juni zur Mobilmachung gegen Preußen Beitritt zum Augustbündnis Anmerkungen
Königreich Preußen, vergrößert durch die Annexionen von 1866 Europäische Großmacht für Rechtsbruch erklärt, nicht abgestimmt 18. August 1866 Bundesreformplan vom 10. Juni 1866 als Grundlage für das Augustbündnis
Königreich Sachsen Mittelstaat Zustimmung 21. Oktober 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Beitritt zum Bündnis) ehemaliger Kriegsgegner Preußens
Großherzogtum Hessen Mittelstaat Zustimmung 3. September 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Teilnahme am Bund) Beitritt nur für seine Provinz Oberhessen
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 21. August 1866 (eigener Vertrag zur Teilnahme am Bund) eigener Vertrag, wegen Vorbehalte des Landesparlaments
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 21. August 1866 (eigener Vertrag zur Teilnahme am Bund) eigener Vertrag, wegen Vorbehalte des Landesparlaments
Großherzogtum Oldenburg Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Herzogtum Braunschweig-Lüneburg Norddeutscher Kleinstaat Zustimmung, nach Königgrätz ins preußische Lager 18. August 1866 Bundesverfassung nicht durch Landesparlament ratifiziert, da dies nicht notwendig sei
Herzogtum Sachsen-Meiningen und Hildburghausen Thüringischer Kleinstaat Zustimmung 8. Oktober 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Beitritt zum Bündnis) ehemaliger Kriegsgegner Preußens
Herzogtum Sachsen-Altenburg Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Herzogtum Anhalt Mitteldeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Waldeck-Pyrmont Mitteldeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Reuß ältere Linie Thüringischer Kleinstaat Zustimmung 26. September 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Beitritt zum Augustbündnis) ehemaliger Kriegsgegner Preußens
Fürstentum Reuß jüngere Linie Thüringischer Kleinstaat nicht abgestimmt, nach Königgrätz ins preußische Lager 18. August 1866
Fürstentum Schaumburg-Lippe Norddeutscher Kleinstaat Zustimmung trotz fehlender Instruktion des Gesandten; nach Königgrätz ins preußische Lager 18. August 1866
Fürstentum Lippe Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Freie und Hansestadt Lübeck Norddeutscher Stadtstaat Ablehnung 18. August 1866
Freie Hansestadt Bremen Norddeutscher Stadtstaat Ablehnung 18. August 1866
Freie und Hansestadt Hamburg Norddeutscher Stadtstaat Ablehnung 18. August 1866

Internationale Situation

Trotz der Bezeichnung Deutscher Krieg waren an der Auseinandersetzung des Sommers 1866 noch weitere Staaten beteiligt. Das gilt vor allem für den jungen Nationalstaat Italien, der letzte „unerlöste“ Gebiete befreien wollte und deswegen ein Bündnis mit Preußen geschlossen hatte. Italienische Truppen nahmen auch am Waffengang gegen Österreich teil, militärisch weniger erfolgreich als Preußen, aber mit den erwünschten politischen Folgen: Italien erwarb das bislang österreichische Venetien.

Europa während des Norddeutschen Bundes; die Quadrate entsprechen der Einwohnerzahl der Länder.

Der französische Kaiser Napoleon III. hatte auf einen österreichischen Sieg gesetzt und sich in einem Geheimvertrag ein Mitspracherecht über Deutschlands Zukunft erkauft, im Gegenzug für die französische Neutralität. Außerdem hatte Österreich eine französische Kontrolle über das bis dahin preußische Rheinland in Aussicht gestellt. Mit Preußen gab es solch konkrete Absprachen nicht, darum fühlte sich Napoleon vom Kriegsausgang betrogen.

Es gelang Napoleon aber, die preußische Ausbreitung auf Norddeutschland (nördlich der Mainlinie) zu begrenzen. Diese Regel aus französisch-preußischen Gesprächen ging in den (österreichisch)-preußischen Prager Frieden ein (Art. 4). In den Bemühungen um die Ausbreitung des Norddeutschen Bundes erwies sich dies als potentielle Hypothek aus der Zeit der Bundesgründung. Als im Jahr 1870 die süddeutschen Staaten dem Bund beitraten, hätte Österreich-Ungarn also möglicherweise Einspruch erheben können. Tatsächlich aber erkannte es die neue Situation offiziell an (25. Dezember 1870), weil es politisch isoliert war und gute Beziehungen mit dem künftigen Deutschen Reich wünschte.

Großbritannien und Russland blieben im Krieg ebenfalls neutral. Das lag unter anderem an innenpolitischen Problemen, außerdem sahen beide Mächte in einer begrenzten preußischen Ausbreitung keine Gefahr für sich oder das europäische Gleichgewicht. Russland protestierte gegen die preußischen Annexionen: Einige der betroffenen Monarchen waren mit der russischen Zarendynastie verwandt. Dies hatte allerdings keine bleibenden Auswirkungen auf das preußisch-russische Verhältnis.

Entstehen der Bundesverfassung

Gründung des Norddeutschen Bundes, am 01. Juli 1867

Der Weg zur Bundesverfassung 1866/1867

Die Gründung des Norddeutschen Bundes war ein längerer Prozess in den Jahren 1866 und 1867. Dabei bildete Preußen mit den verbündeten Staaten in Nord- und Mitteldeutschland einen neuen gemeinsamen Bundesstaat (föderativer Staat). Vorausgegangen waren der Bundesgründung der Deutsche Krieg und die Auflösung des 1815 gegründeten Deutschen Bundes. Der Norddeutsche Bund war zwar nicht der Rechtsfolger des Deutschen Bundes, doch kamen in der Bundesgründung viele Elemente einer langen Bundesreformdebatte zum Tragen.

Als ein Anfangspunkt der Gründung kann der Reformplan vom 10. Juni 1866 angesehen werden, den Preußen für ein neues Kleindeutschland vorgestellt hatte. Im Sommer 1866 entschied es sich, dass Preußen nur in Norddeutschland einen Bundesstaat gründen konnte – unter anderem wegen des Einspruchs Frankreichs. Gedankliche Ansätze zu einer Teilung des Deutschen Bundes in Nord und Süd hatte es bereits zuvor gegeben. Im Jahr 1866/1867 war offen, ob und wann die süddeutschen Staaten jemals beitreten würden.

Der Deutsche Krieg wurde am 26. Juli 1866 mit dem Vorfrieden von Nikolsburg im Wesentlichen beendet. Österreich erkannte darin die Auflösung des Deutschen Bundes an und dass Preußen nördlich des Mains freie Hand für Gebietsveränderungen und ein neues „Bundesverhältnis“ habe. Preußen annektierte mehrere Kriegsgegner in Nord- und Mitteldeutschland und zwang die übrigen durch die Friedensverträge zum Eintritt in einen neuen Bund. Mit den Augustverträgen verpflichtete Preußen außerdem seine Verbündeten zur Bundesgründung.

Otto von Bismarck, der preußische Ministerpräsident, einigte sich mit den übrigen Regierungen auf einen Verfassungsentwurf. Am 24. Februar wurde der konstituierende Reichstag eröffnet – kein eigentliches Parlament, sondern ein Gremium, das nur über die Verfassung beraten sollte. Nach der Überarbeitung durch den konstituierenden Reichstag stimmten die Regierungen dem Verfassungsentwurf ebenfalls zu und ließen ihn auch durch die Landesparlamente annehmen. Am 1. Juli 1867 trat die Verfassung des Norddeutschen Bundes in Kraft, und zeitnah wurden die Bundesorgane eingesetzt.

Vorgeschichte

Kleindeutsche und norddeutsche Lösung

Bereits bei der Gründung des Deutschen Bundes 1815 gab es Überlegungen, Deutschland de facto in einen preußisch geführten Norden und einen österreichisch geführten Süden aufzuteilen. Neben den Teilungsgedanken kam im Revolutionsjahr 1848 eine weitere Vorstellung auf: Preußen und die übrigen Staaten in Nord- und Süddeutschland würden einen engeren Bund gründen, einen kleindeutschen Bundesstaat. Österreich, das sich mit seinen vielen Völkern nur schlecht einem Bundesstaat anschließen konnte, sollte durch einen weiteren Bund mit dem engeren Bund verbunden sein (sogenannter Gagernscher Doppelbund).

Als Preußen 1849/1850 die „Erfurter Union“ ins Leben rufen wollte, war dieser Bundesstaat zunächst kleindeutsch gedacht. Doch die süddeutschen Staaten blieben ihm fern, sodass Preußen nur den Norden geeint hätte. Letztlich boykottierten auch das norddeutsche Königreich Hannover und das mitteldeutsche Königreich Sachsen diesen Einigungsversuch, trotz Unterzeichnung des Dreikönigsbündnisses im Mai 1849.

Im Jahr 1866 spitzte sich die Rivalität zwischen Österreich und Preußen zu. Preußens Ministerpräsident Bismarck machte den übrigen deutschen Staaten am 10. Juni 1866 den Vorschlag, ein kleindeutsches Bundesparlament wählen zu lassen und die Bundesverfassung zu erneuern. Kurz darauf beantragte Österreich im Bundestag die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen, und der Deutsche Krieg brach aus.

Augustbündnis

Der Ausdruck „Norddeutscher Bund“ erscheint erstmals im Vorfrieden von Nikolsburg vom 23. Juli 1866, der zur Grundlage des eigentlichen Friedensschlusses vom 23. August mit Österreich wurde. Dort wird ein „engeres Bundesverhältnis“ erwähnt, das Preußen mit seinen Verbündeten in Norddeutschland eingehen dürfe. Gemeint war ein Bundesstaat, der über einen Staatenbund wie den Deutschen Bund hinausgeht. Auf dieses engere Bundesverhältnis wird noch im selben Absatz mit dem Ausdruck „norddeutscher Bund“ verwiesen.

Am 18. August 1866 schlossen Preußen und 15 weitere Staaten das Augustbündnis, dem sich weitere Staaten anschlossen. Im Vertrag nennt das Bündnis sich nur schlicht „Bündnis“ und spricht von einem „neue[n] Bund“, der noch zu gründen sei. Eine Bundesverfassung solle die Zwecke des Bündnisses sicherstellen. Als Zweck nennt der Vertrag nur eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die Grundlage für das neue Bundesverhältnis sei aber der preußische Reformplan für den Deutschen Bund.

Der Ausdruck Norddeutscher Bund lässt sich theoretisch sowohl auf das Augustbündnis beziehen als auch auf den Bundesstaat, der seine Verfassung am 1. Juli 1867 erhalten hat. So spricht Michael Kotulla davon, dass der Bund sich allmählich konturierte. Das Augustbündnis war jedenfalls nur ein Provisorium, auf ein Jahr begrenzt. Es war noch keine Staatenverbindung, sondern bereitete eine solche nur vor.

Bundesgründende Staaten

Staat Bedeutung Bundesbeschluss vom 14. Juni zur Mobilmachung gegen Preußen Beitritt zum Augustbündnis Anmerkungen
Königreich Preußen, vergrößert durch die Annexionen von 1866 Europäische Großmacht für Rechtsbruch erklärt, nicht abgestimmt 18. August 1866 Bundesreformplan vom 10. Juni 1866 als Grundlage für das Augustbündnis
Königreich Sachsen Mittelstaat Zustimmung 21. Oktober 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Beitritt zum Bündnis) ehemaliger Kriegsgegner Preußens
Großherzogtum Hessen Mittelstaat Zustimmung 3. September 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Teilnahme am Bund) Beitritt nur für seine Provinz Oberhessen
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 21. August 1866 (eigener Vertrag zur Teilnahme am Bund) eigener Vertrag, wegen Vorbehalte des Landesparlaments
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 21. August 1866 (eigener Vertrag zur Teilnahme am Bund) eigener Vertrag, wegen Vorbehalte des Landesparlaments
Großherzogtum Oldenburg Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Herzogtum Braunschweig-Lüneburg Norddeutscher Kleinstaat Zustimmung, nach Königgrätz ins preußische Lager 18. August 1866 Bundesverfassung nicht durch Landesparlament ratifiziert, da dies nicht notwendig sei
Herzogtum Sachsen-Meiningen und Hildburghausen Thüringischer Kleinstaat Zustimmung 8. Oktober 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Beitritt zum Bündnis) ehemaliger Kriegsgegner Preußens
Herzogtum Sachsen-Altenburg Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Herzogtum Anhalt Mitteldeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen Thüringischer Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Waldeck-Pyrmont Mitteldeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Fürstentum Reuß ältere Linie Thüringischer Kleinstaat Zustimmung 26. September 1866 (Friedensvertrag mit Preußen, Beitritt zum Augustbündnis) ehemaliger Kriegsgegner Preußens
Fürstentum Reuß jüngere Linie Thüringischer Kleinstaat nicht abgestimmt, nach Königgrätz ins preußische Lager 18. August 1866
Fürstentum Schaumburg-Lippe Norddeutscher Kleinstaat Zustimmung trotz fehlender Instruktion des Gesandten; nach Königgrätz ins preußische Lager 18. August 1866
Fürstentum Lippe Norddeutscher Kleinstaat Ablehnung 18. August 1866
Freie und Hansestadt Lübeck Norddeutscher Stadtstaat Ablehnung 18. August 1866
Freie Hansestadt Bremen Norddeutscher Stadtstaat Ablehnung 18. August 1866
Freie und Hansestadt Hamburg Norddeutscher Stadtstaat Ablehnung 18. August 1866

Internationale Situation

Trotz der Bezeichnung Deutscher Krieg waren an der Auseinandersetzung des Sommers 1866 noch weitere Staaten beteiligt. Das gilt vor allem für den jungen Nationalstaat Italien, der letzte „unerlöste“ Gebiete befreien wollte und deswegen ein Bündnis mit Preußen geschlossen hatte. Italienische Truppen nahmen auch am Waffengang gegen Österreich teil, militärisch weniger erfolgreich als Preußen, aber mit den erwünschten politischen Folgen: Italien erwarb das bislang österreichische Venetien.

Europa während des Norddeutschen Bundes; die Quadrate entsprechen der Einwohnerzahl der Länder.

Der französische Kaiser Napoleon III. hatte auf einen österreichischen Sieg gesetzt und sich in einem Geheimvertrag ein Mitspracherecht über Deutschlands Zukunft erkauft, im Gegenzug für die französische Neutralität. Außerdem hatte Österreich eine französische Kontrolle über das bis dahin preußische Rheinland in Aussicht gestellt. Mit Preußen gab es solch konkrete Absprachen nicht, darum fühlte sich Napoleon vom Kriegsausgang betrogen.

Es gelang Napoleon aber, die preußische Ausbreitung auf Norddeutschland (nördlich der Mainlinie) zu begrenzen. Diese Regel aus französisch-preußischen Gesprächen ging in den (österreichisch)-preußischen Prager Frieden ein (Art. 4). In den Bemühungen um die Ausbreitung des Norddeutschen Bundes erwies sich dies als potentielle Hypothek aus der Zeit der Bundesgründung. Als im Jahr 1870 die süddeutschen Staaten dem Bund beitraten, hätte Österreich-Ungarn also möglicherweise Einspruch erheben können. Tatsächlich aber erkannte es die neue Situation offiziell an (25. Dezember 1870), weil es politisch isoliert war und gute Beziehungen mit dem künftigen Deutschen Reich wünschte.

Großbritannien und Russland blieben im Krieg ebenfalls neutral. Das lag unter anderem an innenpolitischen Problemen, außerdem sahen beide Mächte in einer begrenzten preußischen Ausbreitung keine Gefahr für sich oder das europäische Gleichgewicht. Russland protestierte gegen die preußischen Annexionen: Einige der betroffenen Monarchen waren mit der russischen Zarendynastie verwandt. Dies hatte allerdings keine bleibenden Auswirkungen auf das preußisch-russische Verhältnis.

Entstehen der Bundesverfassung

Der Fahrplan zur norddeutschen Bundesverfassung war nur rudimentär im Augustbündnis beschrieben worden. Er ähnelte dem Weg zur Verfassungsvereinbarung für die Erfurter Union, war aber komplizierter. Das lag einerseits daran, dass dem Augustbündnis noch kein konkreter Verfassungsentwurf vorlag. Andererseits waren die Staaten sich unsicher, ob die Landesparlamente der Bundesverfassung zustimmen mussten.

Verfassungsentwurf

Die verbündeten Regierungen, also die Landesregierungen der Bündnispartner, ernannten Bevollmächtigte, wie es im Augustbündnis beschrieben wurde. Der preußische Bevollmächtigte zum Beispiel war der preußische Ministerpräsident und Außenminister Otto von Bismarck. Bismarck ließ sich mehrere Verfassungsentwürfe vorlegen.

Max Duncker war Altliberaler und ehemaliges Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Sein unitarischer Entwurf sah eine fast unbegrenzte Gesetzgebungskompetenz für den Bund vor sowie eine Kollegial-Regierung, die Länder hätten in einem schwachen Bundesrath ein Forum erhalten. Jedes Land sollte im Bundesrath gleich viele Stimmen haben. Dieser Entwurf war Bismarck zu parlamentarisch und gab Preußen nicht genügend Gewicht.

Otto von Bismarck, hier im Jahr 1863, war seit 1862 preußischer Ministerpräsident und Außenminister.

Oskar von Reichenbach war großdeutscher Demokrat und wollte den Preußischen Landtag abschaffen, um eine Hegemonie Preußens zu verhindern. Der König sollte einen verantwortlichen Minister ernennen.

Hermann Wagener vom konservativen preußischen Volksverein wollte den preußischen König stärken. Dieser sollte als „König von Norddeutschland“ ihm verantwortliche Minister einsetzen. Er sollte mit dem Reichstag und einem Fürstentag gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sein. Der Reichstag sollte nur wenige Befugnisse haben. Bismarck störte sich daran, dass laut Wagener die übrigen Staaten einem großpreußischen Staat beitreten sollten, der zum „Königreich Norddeutschland“ geworden wäre. Das wäre weder für die übrigen norddeutschen Staaten noch für die hoffentlich später beitretenden süddeutschen attraktiv gewesen. Christoph Vondenhoff: „Der Entwurf Wageners zeigte auf, wie weit sich Bismarck bereits von seiner politischen Heimat, dem preußischen Konservativismus, entfernt hatte.“

Robert Hepke war Beamter im preußischen Außenministerium. Preußen sollte seiner Meinung nach als Präsidialmacht die Exekutive ausüben. Ein Bundestag war für die Vorbereitung der Gesetze verantwortlich. Er sollte aus Vertretern der Einzelstaaten zusammengesetzt sein, die Bundesfachkommissionen gebildet hätten. Den Vorsitz im Bundestag hätte Preußen gehabt. Demgegenüber wäre der Reichstag mit nur schwachen Kompetenzen ausgestattet gewesen.

Bismarck fand diese Entwürfe zu zentralistisch oder seinem Staats- und Gesellschaftsbild widersprechend, wenngleich er sich durchaus von ihnen hat beeinflussen. Vondenhoff: „Die Verbindung der im deutschen Verfassungsleben wirksamen Kräfte zu einem staatstragenden Ganzen ähnelte einer Zirkelquadratur.“ Das Ergebnis würde„ jenseits der überkommenen Begriffe von Bundesstaat und Staatenbund“ liegen.

Zentralstein des neuen Bundes würde ein Bundesrath werden, der den Gliedstaaten die Mitbestimmung versicherte. Dafür schrieb er die starke Position Preußens und seines Königs samt monarchischem Prinzip in der Verfassung fest. Der allgemein gewählte Reichstag kam dem deutschen Nationalismus entgegen. Bundesrath und Reichstag ergaben ein Machtgleichgewicht, das den Parlamentarismus neutralisierte.

Seinen eigenen Entwurf stellte Bismarck den übrigen Bevollmächtigten der verbündeten Staaten vor. Sie berieten vom Dezember 1866 bis zum Februar 1867 darüber. Nach teils heftigen Diskussionen, aber eher weniger bedeutenden Abänderungen, hatten sie sich auf einen Entwurfstext geeinigt. Der Entwurf wurde am 4. März dem konstituierenden Reichstag vorgelegt.

Verfassungsvereinbarung

Während die Bevollmächtigten noch berieten, erließen die Landesparlamente der verbündeten Staaten gleichlautende Wahlgesetze auf Grundlage des Frankfurter Reichswahlgesetzes. Dank dieser Wahlgesetze konnte der konstituierende Reichstag gewählt werden.

Entwurf für die Bundesverfassung aus dem Jahr 1866

Dieses verfassungsvereinbarende Gremium tagte vom 24. Februar bis zum 16. April 1867. In dieser Zeit beriet er über den Entwurf für eine Bundesverfassung. Er beschloss mehrere, zum Teil sehr bedeutsame Abänderungen des Entwurfs. Dabei machte Bismarck deutlich, welche Änderungen für die Regierungen unakzeptabel seien. Der konstituierende Reichstag setzte aber immerhin eine Stärkung des Parlaments und überhaupt der Bundeskompetenz durch. Außerdem erhielt der neue Bund einen verantwortlichen Minister, den Bundeskanzler (Lex Bennigsen).

Am 16. April stimmte eine Mehrheit dem abgeänderten Verfassungsentwurf zu. Die Bevollmächtigten schlossen sich ihm noch am selben Tag an. Zur Sicherheit ließ man anschließend noch die Landesparlamente abstimmen. Nur Braunschweig hielt dies für unnötig, da das Landesparlament bereits dem Wahlgesetz zugestimmt habe. Im Juni wurden die entsprechenden Landesbeschlüsse publiziert.

Über die Bundesverfassung, die später im Wesentlichen unverändert zur Reichsverfassung wurde, gibt es in der Forschung stark unterschiedliche Meinungen. Eine Richtung meint, der liberal dominierte konstituierende Reichstag habe seine Vorstellungen fast vollständig durchgesetzt, eine andere sieht den Gewinner in Bismarck, der mit den Abänderungen durch den konstituierenden Reichstag sehr zufrieden gewesen sei. Die einen sehen in der Verfassung einen typischen oder auch typisch deutschen Konstitutionalismus, einen eigenständigen Verfassungstyp, der Absolutismus und Parlamentarismus versöhnt habe. Andere halten die Verfassung eher für eine Übergangsschritt von Monarchie zu Demokratie, mit für den Konstitutionalismus untypischen Elementen wie dem Staatsoberhaupt. Die Verfassung wurde auch als halbkonstitutionell oder ganz auf Bismarck zugeschnitten beschrieben, so dass sie sich gängiger Einteilungen entziehe.

„Revolution von oben“

Der Form nach war die Gründung des Norddeutschen Bundes keine Revolution, denn die Fürsten und das Volk haben es akzeptiert, dass die Gründerstaaten ihre Souveränität verloren. Der Sache nach aber war die Gründung eine Revolution, weil sich der Verfassungszustand grundlegend geändert hat. Die Regierungen der Gründerstaaten betrieben eine „Revolution von oben“, das Volk und die Parteien eine von unten. Mit der Gründung wurde neues, originäres Recht geschaffen.

In der Staatsrechtslehre wurde es unterschiedlich erklärt, wie der Bund zustande gekommen ist. Es könnten ihn die 23 Landesgesetzgeber ins Leben gerufen haben. So meinte Paul Laband, dass erst die Publikationsgesetze in den einzelnen Ländern den Bund gegründet hätten. Alles davor, wie das Augustbündnis oder der Beschluss des konstituierenden Reichstags, sei nur eine Vorbereitung dazu gewesen. Allerdings konnten die Länder nur für ihr eigenes Gebiet Gesetze erlassen, und sie konnten sich entscheiden, einem Bund beizutreten.

Ferner reichte es nicht aus, die Bundesgründung durch eine Staatsvertragstheorie zu erklären. Durch völkerrechtliche Verträge konnte man zwar einen Staatenbund wie den Deutschen Bund gründen, aber keinen Nationalstaat. Dazu war die Zustimmung des Volkes bzw. einer Volksvertretung notwendig. Karl Binding und andere haben daher eine Theorie der Verfassungsvereinbarung entwickelt. Bei der Verfassungsvereinbarung in der konstitutionellen Monarchie einigten sich der Fürst einerseits und die Volksvertretung andererseits auf eine Verfassung. Besonders an der Gründung des Norddeutschen Bundes war nur, dass der monarchische Verfassungspartner nicht ein einziger Fürst, sondern eine Vielheit von Fürsten bzw. Staaten war.

Erschwerend kam hinzu: Die Regierungen der Einzelstaaten waren an Landesrecht gebunden. Sie konnten den konstituierenden Reichstag nicht aus eigener Kraft einberufen, sondern ließen die Landtage die Wahlgesetze beschließen. Nach der Vereinbarung zwischen Regierungen und Reichstag bedurfte es einer zweiten Vereinbarung: Weil die Bundesverfassung Folgen für das Landesrecht hatte, brauchte sie auch die Bestätigung durch die Landesparlamente. Es handelte sich also um eine doppelte Verfassungsvereinbarung.

Das Recht allein, die reine Normatitivät reichte für die Bundesgründung allerdings nicht aus, genauso wenig wie die reine Herrschaft, die reine Faktizität. Zwar war es bedeutend, dass es 1867 (anders als 1848/49) ein Machtzentrum wie den preußischen Staat gab, den Einheitswillen der Nation, einen Staatsmann wie Bismarck usw. Der Bundesstaat von 1867 entstand in der Tat nicht dadurch, dass eine Verfassungsurkunde Rechtsorgane konstituierte, sondern, indem diese Organe tatsächlich ihre Herrschaftsgewalt ausübten. Das reichte allerdings nicht aus. Ernst Rudolf Huber konstatiert: „Macht ist die Voraussetzung von Staat, aber sie ist nicht der Staat. […] Die Macht ist nicht die Ursache des Rechts; das Recht ist nicht das Resultat der Macht. Das einende Band, durch das sich Macht und Recht zum Ganzen eines neuen Staats verbinden, ist die Idee, die in dem neuen Staat ihre Wirklichkeit findet.“ Diese Idee war, seit der Französischen Revolution, die Idee der Nation.

Einsetzung der Bundesorgane

Organe des Norddeutschen Bundes und die Entwicklung zum Kaiserreich

König Wilhelm als Inhaber des Bundespräsidiums, benötigt für seine Anordnungen und Verfügungen als Bundesorgan, einen Bundeskanzler, der seine Handlungen gegenzeichnete. Die Einsetzung Bismarcks zum Bundeskanzler war der erste staatliche Akt im Norddeutschen Bund. Dies geschah am 14. Juli 1867.

Danach konnten die beiden anderen obersten Bundesorgane ins Leben gerufen werden:

  • Die verbündeten Regierungen ernannten ihre Bevollmächtigten zum Bundesrath. Der Bundeskanzler, verfassungsmäßiger Vorsitzender des Bundesraths, konnte daraufhin eine konstituierende Sitzung des Bundesraths einberufen.
  • König Wilhelm als Inhaber des Bundespräsidiums ließ einen ordentlichen Reichstag wählen. Am 10. September eröffnete er den gewählten Reichstag mit einer Thronrede.

Dank der Existenz von Bundesrath und Reichstag war es nun unter anderem möglich, dass Bundesgesetze beschlossen wurden.

Bezüge zum Deutschen Bund

Der Deutsche Bund von 1815 bis 1866 hatte keinen Rechtsnachfolger. Der Norddeutsche Bund war eine reine Neugründung und auch wesensverschieden: Statt eines Staatenbundes mit bundesstaatlichen Zügen war er ein Bundesstaat mit staatenbündischen Zügen.

Dennoch stand der Norddeutsche Bund in einer jahrzehntelangen Tradition der Diskussion um eine Reform des Deutschen Bundes. Die Verfassungsentwürfe zum Beispiel aus den Jahren 1848/1849 wurden noch in den 1860er-Jahren rezipiert. Bismarcks Reformplan vom Juni 1866 (für den Deutschen Bund) hatte den Norddeutschen Bund in groben Zügen vorweggenommen. Kernstück des Plans war ein nationales Parlament, gewählt nach dem Frankfurter Reichswahlgesetz von 1849. Die einzelstaatlichen Wahlgesetze zum Norddeutschen Reichstag entsprachen jenem Gesetz fast bis aufs Wort.

Weitere Bezüge zwischen Deutschem Bund und Norddeutschen Bund lassen sich in der Bundesverfassung finden:

  • Der Bundesrath des Norddeutschen Bundes war dem Bundestag des Deutschen Bundes nachempfunden, bzw. dem Fürstenkollegium der Erfurter Union. Die Anknüpfung an ein vertrautes Organ erleichterte den Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat.
  • Ausdrücke wie „Bundespräsidium“, „Präsidialstimme“ und „Bundesfeldherr“ in der Verfassung des Norddeutschen Bundes entstammen dem Sprachgebrauch aus der Zeit des Deutschen Bundes.
  • In der Verfassung des Norddeutschen Bundes wird die Stimmenverteilung im Bundesrath festgelegt (Art. 6). Das Vorbild dafür war ausdrücklich das Plenum des ehemaligen Bundestags.
  • Beim Beitritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund erhielt der weiterbestehende Bundesstaat eine „Verfassung des Deutschen Bundes“. Diese Verfassung vom 1. Januar 1871 gab dem Nationalstaat allerdings bereits den Namen „Deutsches Reich“.

Siehe auch

Die zum 6. Mai 2019 um 07:51 Uhr bei wikipedia.org veröffentlichte Ausgabe, wurde hier am 01.07.2019 bearbeitet.

 

Otto von Bismarck, hier im Jahr 1863, war seit 1862 preußischer Ministerpräsident und Außenminister.

Oskar von Reichenbach war großdeutscher Demokrat und wollte den Preußischen Landtag abschaffen, um eine Hegemonie Preußens zu verhindern. Der König sollte einen verantwortlichen Minister ernennen.

Hermann Wagener vom konservativen preußischen Volksverein wollte den preußischen König stärken. Dieser sollte als „König von Norddeutschland“ ihm verantwortliche Minister einsetzen. Er sollte mit dem Reichstag und einem Fürstentag gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sein. Der Reichstag sollte nur wenige Befugnisse haben. Bismarck störte sich daran, dass laut Wagener die übrigen Staaten einem großpreußischen Staat beitreten sollten, der zum „Königreich Norddeutschland“ geworden wäre. Das wäre weder für die übrigen norddeutschen Staaten noch für die hoffentlich später beitretenden süddeutschen attraktiv gewesen. Christoph Vondenhoff: „Der Entwurf Wageners zeigte auf, wie weit sich Bismarck bereits von seiner politischen Heimat, dem preußischen Konservativismus, entfernt hatte.“

Robert Hepke war Beamter im preußischen Außenministerium. Preußen sollte seiner Meinung nach als Präsidialmacht die Exekutive ausüben. Ein Bundestag war für die Vorbereitung der Gesetze verantwortlich. Er sollte aus Vertretern der Einzelstaaten zusammengesetzt sein, die Bundesfachkommissionen gebildet hätten. Den Vorsitz im Bundestag hätte Preußen gehabt. Demgegenüber wäre der Reichstag mit nur schwachen Kompetenzen ausgestattet gewesen.

Bismarck fand diese Entwürfe zu zentralistisch oder seinem Staats- und Gesellschaftsbild widersprechend, wenngleich er sich durchaus von ihnen hat beeinflussen. Vondenhoff: „Die Verbindung der im deutschen Verfassungsleben wirksamen Kräfte zu einem staatstragenden Ganzen ähnelte einer Zirkelquadratur.“ Das Ergebnis würde„ jenseits der überkommenen Begriffe von Bundesstaat und Staatenbund“ liegen.

Zentralstein des neuen Bundes würde ein Bundesrath werden, der den Gliedstaaten die Mitbestimmung versicherte. Dafür schrieb er die starke Position Preußens und seines Königs samt monarchischem Prinzip in der Verfassung fest. Der allgemein gewählte Reichstag kam dem deutschen Nationalismus entgegen. Bundesrath und Reichstag ergaben ein Machtgleichgewicht, das den Parlamentarismus neutralisierte.

Seinen eigenen Entwurf stellte Bismarck den übrigen Bevollmächtigten der verbündeten Staaten vor. Sie berieten vom Dezember 1866 bis zum Februar 1867 darüber. Nach teils heftigen Diskussionen, aber eher weniger bedeutenden Abänderungen, hatten sie sich auf einen Entwurfstext geeinigt. Der Entwurf wurde am 4. März dem konstituierenden Reichstag vorgelegt.

Verfassungsvereinbarung

Während die Bevollmächtigten noch berieten, erließen die Landesparlamente der verbündeten Staaten gleichlautende Wahlgesetze auf Grundlage des Frankfurter Reichswahlgesetzes. Dank dieser Wahlgesetze konnte der konstituierende Reichstag gewählt werden.

Entwurf für die Bundesverfassung aus dem Jahr 1866

Dieses verfassungsvereinbarende Gremium tagte vom 24. Februar bis zum 16. April 1867. In dieser Zeit beriet er über den Entwurf für eine Bundesverfassung. Er beschloss mehrere, zum Teil sehr bedeutsame Abänderungen des Entwurfs. Dabei machte Bismarck deutlich, welche Änderungen für die Regierungen unakzeptabel seien. Der konstituierende Reichstag setzte aber immerhin eine Stärkung des Parlaments und überhaupt der Bundeskompetenz durch. Außerdem erhielt der neue Bund einen verantwortlichen Minister, den Bundeskanzler (Lex Bennigsen).

Am 16. April stimmte eine Mehrheit dem abgeänderten Verfassungsentwurf zu. Die Bevollmächtigten schlossen sich ihm noch am selben Tag an. Zur Sicherheit ließ man anschließend noch die Landesparlamente abstimmen. Nur Braunschweig hielt dies für unnötig, da das Landesparlament bereits dem Wahlgesetz zugestimmt habe. Im Juni wurden die entsprechenden Landesbeschlüsse publiziert.

Über die Bundesverfassung, die später im Wesentlichen unverändert zur Reichsverfassung wurde, gibt es in der Forschung stark unterschiedliche Meinungen. Eine Richtung meint, der liberal dominierte konstituierende Reichstag habe seine Vorstellungen fast vollständig durchgesetzt, eine andere sieht den Gewinner in Bismarck, der mit den Abänderungen durch den konstituierenden Reichstag sehr zufrieden gewesen sei. Die einen sehen in der Verfassung einen typischen oder auch typisch deutschen Konstitutionalismus, einen eigenständigen Verfassungstyp, der Absolutismus und Parlamentarismus versöhnt habe. Andere halten die Verfassung eher für eine Übergangsschritt von Monarchie zu Demokratie, mit für den Konstitutionalismus untypischen Elementen wie dem Staatsoberhaupt. Die Verfassung wurde auch als halbkonstitutionell oder ganz auf Bismarck zugeschnitten beschrieben, so dass sie sich gängiger Einteilungen entziehe.

„Revolution von oben“

Der Form nach war die Gründung des Norddeutschen Bundes keine Revolution, denn die Fürsten und das Volk haben es akzeptiert, dass die Gründerstaaten ihre Souveränität verloren. Der Sache nach aber war die Gründung eine Revolution, weil sich der Verfassungszustand grundlegend geändert hat. Die Regierungen der Gründerstaaten betrieben eine „Revolution von oben“, das Volk und die Parteien eine von unten. Mit der Gründung wurde neues, originäres Recht geschaffen.

In der Staatsrechtslehre wurde es unterschiedlich erklärt, wie der Bund zustande gekommen ist. Es könnten ihn die 23 Landesgesetzgeber ins Leben gerufen haben. So meinte Paul Laband, dass erst die Publikationsgesetze in den einzelnen Ländern den Bund gegründet hätten. Alles davor, wie das Augustbündnis oder der Beschluss des konstituierenden Reichstags, sei nur eine Vorbereitung dazu gewesen. Allerdings konnten die Länder nur für ihr eigenes Gebiet Gesetze erlassen, und sie konnten sich entscheiden, einem Bund beizutreten.

Ferner reichte es nicht aus, die Bundesgründung durch eine Staatsvertragstheorie zu erklären. Durch völkerrechtliche Verträge konnte man zwar einen Staatenbund wie den Deutschen Bund gründen, aber keinen Nationalstaat. Dazu war die Zustimmung des Volkes bzw. einer Volksvertretung notwendig. Karl Binding und andere haben daher eine Theorie der Verfassungsvereinbarung entwickelt. Bei der Verfassungsvereinbarung in der konstitutionellen Monarchie einigten sich der Fürst einerseits und die Volksvertretung andererseits auf eine Verfassung. Besonders an der Gründung des Norddeutschen Bundes war nur, dass der monarchische Verfassungspartner nicht ein einziger Fürst, sondern eine Vielheit von Fürsten bzw. Staaten war.

Erschwerend kam hinzu: Die Regierungen der Einzelstaaten waren an Landesrecht gebunden. Sie konnten den konstituierenden Reichstag nicht aus eigener Kraft einberufen, sondern ließen die Landtage die Wahlgesetze beschließen. Nach der Vereinbarung zwischen Regierungen und Reichstag bedurfte es einer zweiten Vereinbarung: Weil die Bundesverfassung Folgen für das Landesrecht hatte, brauchte sie auch die Bestätigung durch die Landesparlamente. Es handelte sich also um eine doppelte Verfassungsvereinbarung.

Das Recht allein, die reine Normatitivät reichte für die Bundesgründung allerdings nicht aus, genauso wenig wie die reine Herrschaft, die reine Faktizität. Zwar war es bedeutend, dass es 1867 (anders als 1848/49) ein Machtzentrum wie den preußischen Staat gab, den Einheitswillen der Nation, einen Staatsmann wie Bismarck usw. Der Bundesstaat von 1867 entstand in der Tat nicht dadurch, dass eine Verfassungsurkunde Rechtsorgane konstituierte, sondern, indem diese Organe tatsächlich ihre Herrschaftsgewalt ausübten. Das reichte allerdings nicht aus. Ernst Rudolf Huber konstatiert: „Macht ist die Voraussetzung von Staat, aber sie ist nicht der Staat. […] Die Macht ist nicht die Ursache des Rechts; das Recht ist nicht das Resultat der Macht. Das einende Band, durch das sich Macht und Recht zum Ganzen eines neuen Staats verbinden, ist die Idee, die in dem neuen Staat ihre Wirklichkeit findet.“ Diese Idee war, seit der Französischen Revolution, die Idee der Nation.

Einsetzung der Bundesorgane

Organe des Norddeutschen Bundes und die Entwicklung zum Kaiserreich

König Wilhelm als Inhaber des Bundespräsidiums, benötigt für seine Anordnungen und Verfügungen als Bundesorgan, einen Bundeskanzler, der seine Handlungen gegenzeichnete. Die Einsetzung Bismarcks zum Bundeskanzler war der erste staatliche Akt im Norddeutschen Bund. Dies geschah am 14. Juli 1867.

Danach konnten die beiden anderen obersten Bundesorgane ins Leben gerufen werden:

  • Die verbündeten Regierungen ernannten ihre Bevollmächtigten zum Bundesrath. Der Bundeskanzler, verfassungsmäßiger Vorsitzender des Bundesraths, konnte daraufhin eine konstituierende Sitzung des Bundesraths einberufen.
  • König Wilhelm als Inhaber des Bundespräsidiums ließ einen ordentlichen Reichstag wählen. Am 10. September eröffnete er den gewählten Reichstag mit einer Thronrede.

Dank der Existenz von Bundesrath und Reichstag war es nun unter anderem möglich, dass Bundesgesetze beschlossen wurden.

Bezüge zum Deutschen Bund

Der Deutsche Bund von 1815 bis 1866 hatte keinen Rechtsnachfolger. Der Norddeutsche Bund war eine reine Neugründung und auch wesensverschieden: Statt eines Staatenbundes mit bundesstaatlichen Zügen war er ein Bundesstaat mit staatenbündischen Zügen.

Dennoch stand der Norddeutsche Bund in einer jahrzehntelangen Tradition der Diskussion um eine Reform des Deutschen Bundes. Die Verfassungsentwürfe zum Beispiel aus den Jahren 1848/1849 wurden noch in den 1860er-Jahren rezipiert. Bismarcks Reformplan vom Juni 1866 (für den Deutschen Bund) hatte den Norddeutschen Bund in groben Zügen vorweggenommen. Kernstück des Plans war ein nationales Parlament, gewählt nach dem Frankfurter Reichswahlgesetz von 1849. Die einzelstaatlichen Wahlgesetze zum Norddeutschen Reichstag entsprachen jenem Gesetz fast bis aufs Wort.

Weitere Bezüge zwischen Deutschem Bund und Norddeutschen Bund lassen sich in der Bundesverfassung finden:

  • Der Bundesrath des Norddeutschen Bundes war dem Bundestag des Deutschen Bundes nachempfunden, bzw. dem Fürstenkollegium der Erfurter Union. Die Anknüpfung an ein vertrautes Organ erleichterte den Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat.
  • Ausdrücke wie „Bundespräsidium“, „Präsidialstimme“ und „Bundesfeldherr“ in der Verfassung des Norddeutschen Bundes entstammen dem Sprachgebrauch aus der Zeit des Deutschen Bundes.
  • In der Verfassung des Norddeutschen Bundes wird die Stimmenverteilung im Bundesrath festgelegt (Art. 6). Das Vorbild dafür war ausdrücklich das Plenum des ehemaligen Bundestags.
  • Beim Beitritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund erhielt der weiterbestehende Bundesstaat eine „Verfassung des Deutschen Bundes“. Diese Verfassung vom 1. Januar 1871 gab dem Nationalstaat allerdings bereits den Namen „Deutsches Reich“.

Siehe auch

Die zum 6. Mai 2019 um 07:51 Uhr bei wikipedia.org veröffentlichte Ausgabe, wurde hier am 01.07.2019 bearbeitet.




Norddeutsche Bund

Der Norddeutsche Bund vereinte von 1866 bis 1871 alle deutschen Staaten nördlich der Mainlinie unter preußischer Führung. Er war die geschichtliche Vorstufe der mit der Reichsgründung verwirklichten kleindeutschen, preußisch dominierten Lösung der deutschen Frage unter Ausschluss Österreichs und der bisher die gewählten deutschen Kaiser dominierenden Habsburger. Der ursprünglich 1866 als Militärbündnis angelegte Bund erhielt mit der Verfassungsgebung am 1. Juli 1867 Staatsqualität.

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes entsprach weitestgehend der des Kaiserreichs von 1871: Einem vom Volk gewählten Reichstag stand ein Bundesrath gegenüber, der die Regierungen der Mitgliedsstaaten (meist Herzogtümer) vertrat. Zur Verabschiedung von Gesetzen mussten beide zustimmen. Oberhaupt des Bundes war der preußische König als Inhaber des Bundespräsidiums. Verantwortlicher Minister war der Bundeskanzler. Der konservative preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck war der erste und einzige Kanzler in den wenigen Jahren des Norddeutschen Bundes.

Der Reichstag des Norddeutschen Bundes bereitete mit seinen zahlreichen modernisierenden Gesetzen zu Wirtschaft, Handel, Infrastruktur und Rechtswesen (darunter dem Vorläufer des heutigen Strafgesetzbuchs) wesentlich die spätere deutsche Einheit vor. Einige der Gesetze wirkten bereits vor 1871 über den deutschen Zollverein in den süddeutschen Staaten. Allerdings war die parlamentarische Kontrolle über den Militärhaushalt noch begrenzt, obgleich die Militärausgaben 95 Prozent des Gesamthaushalts ausmachten.

Die Hoffnung, bald die süddeutschen Staaten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt in den Bund aufnehmen zu können, erfüllte sich nicht. In jenen Ländern war der Widerstand gegen das protestantische Preußen bzw. gegen den Bund mit seiner liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik groß. Das zeigte sich bei der Wahl zum Zollparlament 1868; diese Zusammenarbeit von norddeutschen und süddeutschen Abgeordneten im Zollverein trug aber zur wirtschaftlichen Einheit Deutschlands bei.

Nach einer diplomatischen Niederlage im Spanischen Thronfolgestreit begann Frankreich im Juli 1870 den Krieg gegen Deutschland. Es wollte damit ein weiteres Erstarken Preußens und eine deutsche Vereinigung unter seiner Führung verhindern. Allerdings hatten die süddeutschen Staaten Baden, Bayern und Württemberg nach ihrer Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 Verteidigungsbündnisse mit Preußen geschlossen. Daher und aufgrund ihrer besseren Organisation konnten die deutschen Heere den Krieg rasch nach Frankreich hinein tragen.

Durch die Novemberverträge von 1870 traten die süddeutschen Staaten dem Norddeutschen Bund bei. Mit der sogenannten Reichsgründung und dem Inkrafttreten der neuen Verfassung am 1. Januar 1871 ging der Bund im deutschen Kaiserreich auf.

Vorgeschichte bis 1866

Seit dem 18. Jahrhundert gab es neben der österreichischen Habsburgermonarchie eine weitere Macht in Deutschland, die eine Führungsrolle beanspruchte: Preußen, das im Jahr 1701 zum Königreich aufgestiegen war und unter anderem das an Bodenschätzen reiche Schlesien von Österreich erobert hatte. Das Verhältnis dieser beiden mitteleuropäischen Großmächte bezeichnete man als deutschen Dualismus, der von Rivalität, oft aber auch von Zusammenarbeit zu Ungunsten Dritter geprägt war.

Deutschland im Herbst 1850: Staaten der Erfurter Union (gelb) und jene des Rumpfbundestages (dunkelrot)

Der von vielen Deutschen erwünschte Ausbau des Bundes oder gar der Übergang zum Bundesstaat wurde von Österreich und Preußen verhindert: Österreich sah wegen seiner eigenen Nationalitätenkonflikte einen deutschen Bundesstaat als Existenzbedrohung an, und Preußen wollte keine Weiterentwicklung des Deutschen Bundes, solange allein Österreich als „Präsidialmacht“ galt. Schon 1849 bemühte Preußen sich mit der „Erfurter Union“ erst um ein Kleindeutschland ohne Österreich, dann zumindest um einen norddeutschen Bundesstaat unter preußischer Führung. Aufgrund des Druckes Österreichs, der Mittelstaaten und Rußlands mußte Preußen diesen Versuch in der Herbstkrise 1850 allerdings aufgeben.

In der Folge kam es wieder zu einer Zusammenarbeit der Großmächte, die aber deutlich stärker von Rivalität überschattet war als in den Jahren 1815–1848. Nach 1859 machten beide Großmächte erfolglose Vorschläge zu einer Bundesreform. Eine Teilung Deutschlands in Nord und Süd gehörte auch dazu. Obwohl sie um 1864 im Krieg gegen Dänemark wieder gemeinsam gegen die deutschen Staaten agierten, waren sie alsbald in der Schleswig-Holstein-Frage zerstritten und trugen auch diesen Streit militärisch aus.

Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck bemühte sich mehrmals um einen Ausgleich mit Österreich, schließlich aber steuerte er Preußen auf die Konfrontation mit Österreich und notfalls den übrigen Staaten zu. Der österreichische Kaiser Franz Joseph I. wiederum war unbeeindruckt, hielt die Position Bismarcks in Preußen für schwach und schätzte seine eigene militärische Macht als unüberwindbar ein. So erwirkte Österreich am 14. Juni 1866 einen Bundesbeschluß des Bundestags über die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen.

Deutscher Krieg und Kriegsfolgen

Georg Bleibtreu: Schlacht bei Königgrätz, Gemälde von 1868. Diese Schlacht in Böhmen war der entscheidende preußische Sieg gegen Österreich.

Im Deutschen Krieg von 1866 siegte Preußen mit seinen Verbündeten jedoch gegen Österreich und dessen Alliierte (die Königreiche Bayern, Württemberg, Sachsen und Hannover, die Großherzogtümer Baden und Hessen, das Kurfürstentum Hessen und weitere Kleinstaaten). Im Vorfrieden mit Österreich (26. Juli) setzte Preußen durch, die Verhältnisse im Norden Deutschlands bis zur Mainlinie neu zu ordnen. Hier taucht auch zuerst der Ausdruck Norddeutscher Bund auf. Dieses Arrangement hatte Preußen zuvor bereits mit dem französischen Kaiser Napoleon III. abgestimmt.

Am 1. Oktober 1866 annektierte Preußen vier seiner Kriegsgegner nördlich des Mains: Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt. Die übrigen Staaten durften ihre Gebiete fast ohne Änderungen behalten. Durch die Einverleibungen stieg die Bevölkerungsanzahl Preußens von etwa 19 Millionen auf fast 24 Millionen.

Drei weitere Kriegsgegner nördlich des Mains, nämlich Sachsen, Sachsen-Meiningen und Reuß älterer Linie, wurden in den Friedensschlüssen dazu verpflichtet, sich dem Norddeutschen Bund anzuschließen. Das Großherzogtum Hessen mußte mit seiner Provinz Oberhessen sowie den rechtsrheinischen (rheinhessischen) Gemeinden Kastel und Kostheim dem Bund beitreten, die alle nördlich des Mains lagen.

Augustverträge und Konstituierender Reichstag

Feierliche Eröffnung des Norddeutschen Konstituierenden Reichstages im königlichen Schloß, Berlin am 24. Februar 1867

Am 18. August 1866 schloß Preußen mit 15 nord- und mitteldeutschen Staaten einen Bündnisvertrag mit doppeltem Zweck, der schließlich als „Augustbündnis“ bekannt wurde. Später traten weitere Staaten wie die beiden Mecklenburgs (Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz) dem Vertragswerk bei (daher „Augustverträge“). Zum einen bildeten sie ein Verteidigungsbündnis, das auf ein Jahr begrenzt war. Zum anderen war das Augustbündnis ein Vorvertrag zur Gründung eines Bundesstaats.

Grundlage sollte der Bundesreformplan vom 10. Juni 1866 sein, den Preußen damals den übrigen deutschen Staaten zugesandt hatte. Dieser Plan war aber noch sehr allgemein gehalten und bezog damals noch Bayern und das übrige Kleindeutschland ein. Dem Augustbündnis lag also noch kein eigentlicher Verfassungsentwurf vor, anders als dem Dreikönigsbündnis von 1849 für die Erfurter Union.

Im Augustbündnis war auch die Wahl eines gemeinsamen Parlaments vereinbart. Dieses würde bei der Verfassungsvereinbarung das norddeutsche Volk repräsentieren. Grundlage für die Wahl waren Gesetze der Einzelstaaten. Diese Gesetze übernahmen, absprachegemäß, das Frankfurter Reichswahlgesetz von 1849 fast wörtlich. Der Norddeutsche Konstituierende Reichstag wurde am 12. Februar 1867 gewählt und am 24. Februar in Berlin von König Wilhelm I. von Preußen eröffnet. Nach langen Verhandlungen nahm der im Berliner Palais Hardenberg tagende Reichstag bereits am 16. April den abgeänderten Verfassungsentwurf an und hatte tags darauf seine feierliche Schlußsitzung.

Bundesverfassung

Der Preußische Landtag und der konstituierende Reichstag waren von einer nationalliberal-freikonservativen Mehrheit beherrscht. Gerade die Nationalliberalen wollten ursprünglich eine möglichst radikale Lösung: Deutschland sollte ein Einheitsstaat unter preußischer Führung werden. Beispielsweise hätten die übrigen Staaten Norddeutschlands einfach Preußen beitreten sollen. Preußen mit seiner Militärmacht hätte sie dazu zwingen können. Bismarck hingegen suchte nach einer föderativen Lösung. Einerseits wollte er die süddeutschen Staaten und deren Fürsten nicht davor abschrecken, später ebenfalls beizutreten. Andererseits ging es ihm um seine eigene vermittelnde Rolle und damit um seine Machtstellung zwischen König, Landtag und verbündeten Staaten.

Verfassungsdiagramm für den Norddeutschen Bund, mit der Entwicklung zum Deutschen Reich

Als Folge dieser Überlegungen strebte Bismarck eine norddeutsche Bundesverfassung an, die ihre unitarischen Züge und auch die Macht des preußischen Königs verbarg. So weit wie möglich sollte der neue Bund äußerlich einem Staatenbund ähneln. Beispielsweise war die Militärmacht in der Verfassung einem Bundesfeldherrn unterstellt. Diese Bezeichnung stammte aus der Zeit des Deutschen Bundes; der preußische König hatte damals versucht, dauerhafter Bundesfeldherr des Bundesheeres oder zumindest der norddeutschen Bundestruppen zu werden. Die Verfassung machte allerdings an anderer Stelle deutlich, dass der Bundesfeldherr niemand anders als der preußische König war.

Geheimrath Maximilian Duncker hatte im Auftrag Bismarcks einen ersten Verfassungsentwurf ausgearbeitet. Nach mehreren Überarbeitungen durch Gesandte und Ministerialbeamte legte Bismarck selbst Hand an, und schließlich lag am 15. Dezember 1866 den Bevollmächtigten der Regierungen ein preußischer Entwurf vor. Die Bevollmächtigten hatten zum Teil erhebliche Bedenken, mal wünschten sie sich mehr Föderalismus, mal einen stärkeren Einheitsstaat. Bismarck nahm 18 Änderungsanträge an, die die Grundstruktur nicht anrührten, und die Bevollmächtigten stimmten am 7. Februar 1867 zu. Dieser Entwurf war dann ein gemeinsames Verfassungsangebot der verbündeten Regierungen.

Der Entwurf ging am 4. März dem konstituierenden Reichstag zu. Bei seinen Beratungen stimmte sich der konstituierende Reichstag eng mit den Bevollmächtigten der Einzelstaaten ab. Auf diese Weise kam es zu Kompromissen, auf die sich beide Seiten verständigen konnten. Am 16. April 1867 verabschiedete nicht nur eine Reichstagsmehrheit den abgeänderten Entwurf, sondern ihn billigten sogleich auch die Bevollmächtigten des Bundesrathes. Die Einzelstaaten ließen danach ihre Landesparlamente abstimmen und publizierten die Bundesverfassung. Dieser Prozeß dauerte bis zum 27. Juni. Am 1. Juli konnte die Verfassung vereinbarungsgemäß in Kraft treten.

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes ist, von einigen Bezeichnungen und Details abgesehen, bereits identisch mit der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, die bis 1918 angewandt wurde und seit dem 29. Mai 2008 wieder angewendet wird.

Bundesorgane

„Es spukt im Reichstage“: Karikatur auf Kanzler Otto von Bismarck, der die Einrichtung von Bundesministerien ablehnt.

Dem König von Preußen stand das Präsidium des Bundes zu, auf einen Titel wie „Kaiser“ verzichtete man. Nicht dem Namen, aber der Sache nach war er das Bundesoberhaupt. Er setzte einen Bundeskanzler ein, der die Handlungen des Präsidiums gegenzeichnete. Damit war der Bundeskanzler der einzige verantwortliche Minister, also die Bundesregierung (Exekutive) in einer Person. Die Verantwortlichkeit ist nicht parlamentarisch zu verstehen, aber politisch.

Der Bundeskanzler erhielt zur Unterstützung seiner Arbeit eine oberste Bundesbehörde, das Bundeskanzleramt (es wurde später in Reichskanzleramt umbenannt und ist nicht mit der Reichskanzlei von 1878 zu verwechseln). In der Zeit des Norddeutschen Bundes wurde nur noch eine weitere oberste Bundesbehörde eingerichtet, das von Preußen übernommene Auswärtige Amt. Der Chef des Bundeskanzleramts und der Leiter des Auswärtigen Amtes waren keine Kollegen des Bundeskanzlers, sondern ihm als weisungsbefugte Beamte unterstellt. Bismarck widersetzte sich den Bestrebungen des Reichstags, regelrechte Bundesministerien einzurichten. In der Praxis bediente sich Bismarck oftmals der Zuarbeit der Landesministerien, zumal der preußischen, allein schon aus Mangel an einer eigenen personellen Ausstattung auf Bundesebene.

Die Gliedstaaten entsandten Bevollmächtigte in den Bundesrath. Diese Vertretung der Gliedstaaten war ein Bundesorgan, das exekutive, legislative und judikative Befugnisse hatte. Der Bund hatte kein Verfassungsgericht, aber der Bundesrath entschied über bestimmte Streitfälle zwischen und in den Gliedstaaten.

Der Bundesrath übte zusammen mit dem Reichstag das Gesetzgebungsrecht einschließlich der Haushaltsbewilligung aus. Diäten, also Abgeordnetenentschädigungen, waren laut Verfassung untersagt. Im Wahlrecht des Bundes war das allgemeine und gleiche Männerwahlrecht verankert. Jeder Norddeutsche hatte in dem Wahlkreis, in dem er wohnte, eine Stimme für einen Kandidaten. Jeder Wahlkreis entsandte einen Abgeordneten in den Norddeutschen Reichstag. Im Mai 1869 kam das Bundeswahlgesetz zustande, das die Bestimmungen der Einzelstaatsgesetze von 1866 im Grunde beibehielt.

Vorsitzender des Bundesraths war der Bundeskanzler. An sich hatte er darin weder Sitz noch Stimme. Doch Bundeskanzler Bismarck war gleichzeitig preußischer Ministerpräsident. Auf diese Weise hatte er größten Einfluß auf die preußischen Stimmen im Bundesrath und damit auf den gesamten Bundesrath. Diese Ämterverbindung war in der Verfassung nicht vorgesehen, sie wurde aber fast in der gesamten Zeit des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches beibehalten.

Deutschland- und Außenpolitik

Karikatur im Kladderadatsch, 1867. Die Germania fordert den Schäfer Bismarck auf, die Herde (die deutschen Mittel- und Kleinstaaten) vor dem französischen Löwen (Napoleon III.) zu schützen. Bayern und Baden werden als Schäferhunde dargestellt, die den Löwen verbellen.

Der Norddeutsche Bund in Europa

Trotz anderer Erwartungen zeigte es sich bald, daß eine Vereinigung Deutschlands kein Selbstläufer war. Bismarck meinte im Jahr 1869 daher, daß man nicht mit Gewalt vorpreschen solle, da man auf diese Weise höchstens unreife Früchte ernten könne. Durch Vorstellen der Uhr könne man die Zeit nicht schneller laufen lassen. In Süddeutschland mußten wegen der Heeresreform nach preußischem Vorbild die Steuern erhöht werden. In Baden konnte der Großherzog nur mit Notverordnungsrecht das Bündnis mit dem Norden durch das Parlament bringen. 1870 stürzte die Patriotenpartei des katholischen Landvolks den liberalen Ministerpräsidenten. In Hessen-Darmstadt hoffte der Ministerpräsident noch im Juli 1870 auf eine preußische Niederlage im Konflikt mit Frankreich.

Bismarck initiierte von Mai bis Juli 1867 eine Reform des Zollvereins, um die süddeutschen Staaten mehr an den Norddeutschen Bund zu binden. Aus dem „Verein unabhängiger Staaten“ (völkerrechtliche Staatenverbindung) mit Vetorecht wurde eine Wirtschaftsunion mit Mehrheitsbeschlüssen. Ein Veto als einzelner Staat hatte nur noch das große Preußen. Der Zollbundesrath war ein dem Bundesrath vergleichbares Organ mit Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten, daneben gab es ein Zollparlament. Es wurde nach dem Reichstagswahlrecht gewählt, wobei in der Realität der Reichstag um süddeutsche Abgeordnete erweitert wurde.

Die Wahlen zum Zollparlament fanden 1868 in Süddeutschland statt. Dabei stellte sich heraus, daß die Preußengegner noch viele Wähler repräsentierten. Die Stimmen richteten sich gegen die Dominanz des protestantischen Preußens oder gegen liberale Freihandelspolitik; teilweise ging es auch um innere Konflikte der Staaten. In Württemberg waren alle 17 Abgeordneten antipreußisch, in Baden 6 gegenüber 8 Kleindeutschen, in Bayern 27 gegenüber 21. Die meisten waren dem konservativen Lager zuzuordnen. Bismarck verstand, daß die Erweiterung des Norddeutschen Bundes um den Süden noch längere Zeit auf sich warten lassen könnte; gleichwohl hatte der Süden keine Alternative zur wirtschaftlichen Integration, denn 95 Prozent seines Handels verlief mit dem Norden.

Im Februar 1870 forderten die Nationalliberalen mit der „Interpellation Lasker“, das liberale Baden in den Bund aufzunehmen. Bismarck lehnte ungewöhnlich schroff ab: Dadurch würde der Beitritt der übrigen süddeutschen Staaten unwahrscheinlicher werden. Der Bismarck-Biograph Lothar Gall geht davon aus, dass dieser in erster Linie die bisherige Machtstruktur bewahren wollte und eine Aufwertung der Liberalen befürchtete. Dasselbe galt für eine nationale Volksbewegung.

Anfang 1870 weihte Bismarck König Wilhelm von Preußen in einen Kaiserplan ein. Demnach sollte Wilhelm zum „Kaiser von Deutschland“ oder wenigstens des Norddeutschen Bundes ausgerufen werden. Das sei eine Stärkung für die Regierung und ihre Anhänger im Hinblick auf die kommenden Wahlen und Beratungen des Militäretats. Außerdem sei „Bundespräsidium“ im diplomatischen Verkehr ein unpraktischer Titel. Ein Gedanke war auch, daß den Süddeutschen ein deutscher Kaiser annehmbarer sein könnte als ein preußischer König. Bismarck stieß mit dem Ansinnen aber auf Widerstand bei den übrigen Fürsten in Nord- und Süddeutschland, wodurch der Plan aufgegeben wurde.

Von der Gründung 1867 bis zum Aufgehen in das größere Deutsche Reich am 1. Januar 1871 war vor allem das Verhältnis zu den süddeutschen Staaten und zu Frankreich bestimmend. Mit Frankreich gab es eine Art Kalten Krieg, der von diplomatischen Krisen und Aufrüstung geprägt war. Die politischen Fronten, auch mit Süddeutschland, schienen 1870 erstarrt.

Militärpolitik

Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes mit Schwarz-Weiß-Roth

Deutsch-Französischer Krieg

Conrad Freybergs Übergabe von Metz

Im September 1868 war in Spanien das Königshaus gestürzt worden, so dass das Übergangsregime einen neuen König suchte. Bismarck sorgte dafür, dass Leopold von Hohenzollern, ein Prinz aus dem süddeutschen Zweig der Hohenzollern, einer Kandidatur zustimmte. Als dies im Juli bekannt wurde, reagierte die öffentliche Meinung in Frankreich empört. Leopold zog seine Kandidatur zurück, und Frankreich hätte mit diesem diplomatischen Sieg zufrieden sein können. Napoleon III. beging aber den Fehler, vom Oberhaupt der Hohenzollerndynastie, dem preußischen König Wilhelm I., zu verlangen, eine solche Kandidatur für die Zukunft auszuschließen. Dies gab Bismarck in einer verkürzenden Darstellung, worin das französische Ansinnen und Wilhelms Ablehnung besonders schroff erschienen, an die Presse. Am 19. Juli erklärte Frankreich Preußen den Krieg.

Napoleon wollte den Deutschen das Recht der nationalen Selbstbestimmung nicht zugestehen. „Innere Unzufriedenheit nach außen abzulenken war von jeher ein bevorzugtes Herrschaftsmittel des Bonapartismus gewesen.“

Frankreich war isoliert, da die übrigen Mächte seinen Krieg nicht als gerechtfertigt ansahen. Die süddeutschen Staaten unterstützten entgegen Napoleons Erwartungen wegen der Schutz- und Trutzbündnisse mit Preußen den Norddeutschen Bund. Nach Abwehr des französischen Angriffs verlagerte sich das Kriegsgeschehen nach Frankreich. Bereits am 2. September, in der Schlacht bei Sedan, wurde Napoleon gefangen genommen, und sein Regime kapitulierte. Eine neue Regierung der Nationalen Verteidigung führte den Krieg bis zum 26. Januar 1871 weiter. Im Mai erfolgte der Frieden von Frankfurt. Frankreich mußte eine hohe Entschädigungssumme zahlen und Elsaß-Lothringen abtreten.

Übergang zum Deutschen Reich

Die süddeutschen Staaten Großherzogtum Baden, Königreich Bayern und Königreich Württemberg waren 1867 noch vollständig außerhalb des Norddeutschen Bundes, während Hessen-Darmstadt mit seiner nördlichen Provinz Oberhessen dazugehörte. Baden, Bayern und Württemberg schlossen im November 1870 Beitrittsverträge zum Norddeutschen Bundesstaat ab. Der Abschluß dieser Novemberverträge ermöglichte den Beitritt der Großherzogtümer Baden und Hessen (Südhessen) am 15. November 1870, des Königreichs Bayern am 23. November und des Königreichs Württemberg am 25. November 1870; zugleich vereinbarten die Verträge die Gründung eines „Deutschen Bundes“.

Durch Reichstagsbeschluß vom 10. Dezember 1870 erhielt dieser Bund den Namen Deutsches Reich. Dabei übernahm das Reich im Wesentlichen die Bundesverfassung von 1867. Somit entschied sich die deutsche Frage letztendlich unter Ausschluß Österreichs im Sinne der kleindeutschen Lösung.

Durch den Beitritt der Süddeutschen Staaten zum Bund entstand im staats- und verfassungsrechtlichen Sinne kein neuer Staat: Der reformierte Norddeutsche Bund existierte, nachdem seine Verfassung des Deutschen Bundes – nicht zuletzt wegen zwei voneinander abweichender Fassungen – redigiert wurde, durch Rechtskontinuität unter der Bezeichnung „Deutsches Reich“ fort. Die Reichsgründung war folglich nichts anderes als der Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund.

Die weitaus überwiegende Zahl der Staatsrechtler geht  bei der Gründung des Deutschen Reiches von der Identität zum Norddeutschen Bund aus. Somit ist das Deutsche Reich in die Rechtsnachfolge des Norddeutschen Bundes, ipso jure (kraft Gesetz, von Rechts wegen) eingetreten.  Als Folge dessen galten die Gesetze des Norddeutschen Bundes im Reich fort.

Bundesgebiet und Norddeutsche

Gebiete des Norddeutschen Bundes; im Süden Deutschlands befinden sich die Hohenzollernschen Lande (seit 1850 Teil Preußens)

Die Gründung des Norddeutschen Bundes bewirkte, daß eine Reihe von Staaten aus dem Prozeß der Bildung eines deutschen Nationalstaats herausfielen. Dies waren Österreich, Liechtenstein, Luxemburg und Niederländisch-Limburg. Letzteres war überhaupt nur eine niederländische Provinz, die aus historisch-politischen Gründen dem Deutschen Bund angehört hatte. Luxemburgs Selbstständigkeit wurde im Zuge der Luxemburgkrise 1867 von den Großmächten bestätigt.

Der Norddeutsche Bund umfasste 22 Gliedstaaten, die in der Verfassung Bundesstaaten genannt wurden. Das Gesamtgebiet hatte 415.150 Quadratkilometer mit fast 30 Millionen Einwohnern. Von ihnen lebten 80 Prozent in Preußen. Dank Artikel 3 der Bundesverfassung genossen die „Norddeutschen“ ein gemeinsames Indigenat, so daß sie sich im Bundesgebiet frei bewegen konnten. Norddeutscher als Staatsbürger war, wer Staatsangehöriger eines Gliedstaates war.

Bundesstaat Einwohner (1866) Fläche in km²
Preußen, Königreich (Preußischer Staat) 19.501.723 (mit den Annexionen von 1867: 23.971.462) 348.607
Sachsen, Königreich 2.382.808 14.993
Hessen, Großherzogtum (Hessen-Darmstadt), nur Provinz Oberhessen 118.950 (1858) 3.287
Mecklenburg-Schwerin, Großherzogtum 560.274 13.162
Oldenburg, Großherzogtum 303.100 6.427
Braunschweig, Herzogtum 298.100 3.672
Sachsen-Weimar-Eisenach, Großherzogtum 281.200 3.615
Hamburg, Freie Stadt 280.950 415
Anhalt, Herzogtum 195.500 2.299
Sachsen-Meiningen, Herzogtum 179.700 2.468
Sachsen-Coburg-Gotha, Herzogtum 166.600 1.958
Sachsen-Altenburg, Herzogtum 141.600 1.324
Lippe, Fürstentum (Detmold) 112.200 1.215
Bremen, Freie Stadt 106.895 256
Mecklenburg-Strelitz, Großherzogtum 98.572 2.930
Reuß jüngerer Linie, Fürstentum (Gera-Schleiz-Lobenstein-Ebersdorf) 87.200 827
Schwarzburg-Rudolstadt, Fürstentum 74.600 941
Schwarzburg-Sondershausen, Fürstentum 67.200 862
Waldeck, Fürstentum 58.400 1.121
Lübeck, Freie Stadt 48.050 299
Reuß älterer Linie, Fürstentum (Greiz) 44.100 317
Lauenburg, Herzogtum (mit dem preußischen König als Herzog) 49.500 (ca. 1857) 1.182
Schaumburg-Lippe, Fürstentum 31.700 340

Bismarck war er die überragende Person des Norddeutschen Bundes und diente als preußischer Außenminister und Ministerpräsident sowie norddeutscher Bundeskanzler, war also Chef der preußischen Exekutive und alleiniger Minister der Norddeutschen.

Dieser Bund allein war schon deshalb besonders, weil er erstmals seit Jahrhunderten wenigstens Norddeutschland ein staatliches Band gab. Der Bund wa rso ausgestaltet, daß er später den Beitritt Süddeutschlands zuließ. Im Bund kam es zu einigen Neuerungen im Parteiensystem, wie der Gründung des katholischen Zentrums, sowie einer Zusammenarbeit Bismarcks mit den Nationalliberalen und Freikonservativen.

Der Norddeutsche Bund gilt weniger als eigenständige Epoche denn vielmehr als Vorstufe zur „Reichsgründung“. Dazu trägt bei, daß der am 01. Juli 1867 gegründete Bund nur etwa drei Jahre lang existierte. Außerdem gibt es vom Bund zum Reich eine hohe Kontinuität, sowohl was die Verfassung als auch die wichtigsten Politiker wie Bismarck angeht.

Für Bismarck war es typisch, mehrgleisig vorzugehen. Seiner Meinung nach, so Andreas Kaernbach, kann man als Politiker eine von mehreren Lösungen wählen, sie aber nicht selbst hervorbringen. Er sah die Sicherung der preußischen Stellung in Norddeutschland als Grundlage der preußischen Unabhängigkeit an. Diese „Auffangstellung“, der Norddeutsche Bund, galt ihm aber nur als ein Minimalziel. Das letztendliche war das preußisch geführte Kleindeutschland, das er durch eine Bundesreform und ohne Krieg mit Österreich hatte erreichen wollen. Dieses Ziel schien zunächst in weiter Ferne zu liegen. Dennoch beurteilte er den Norddeutschen Bund als Zwischenstufe von eigenem Wert, mit „eigener Zukunft“. Der konservative französische Politiker Adolphe Thiers äußerte, für Frankreich sei die Gründung des Norddeutschen Bundes „das größte Unglück seit vierhundert Jahren“ gewesen.

Die Flagge ist schwarz-weiß-roth

Artikel 55 der Verfassung bestimmte die Flagge des Bundes: „Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-roth“. Die Farbgebung wird Prinz Adalbert zugeschrieben, sie vereinigte Preußens Farben mit denen der Hansestädte und ihren Ansprüchen an den Seehandel. Am 1. Oktober 1867, drei Monate nach Verkündung des Norddeutschen Bundes, wurde auf allen preußischen Schiffen das Tuch mit dem Preußenadler eingeholt und die Schwarz-Weiß-Rothe Flagge gehißt. Im Jahr 1871 wurde die Flagge dann für das gesamte Reich übernommen.

 

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Kaiserbrief vom 27. November 1870

Als Kaiserbrief wird das vom norddeutschen Bundeskanzler Otto von Bismarck am 27. November 1870 aufgesetzte und durch den bayerischen König Ludwig II. (geb. 1845, reg. 1864–1886) am 30. November 1870 unterzeichnete Schreiben an die deutschen Bundesfürsten bezeichnet. Den Kaiserbrief übergab Ludwigs Onkel, Prinz Luitpold von Bayern, der spätere Prinzregent (1886–1912), dem preußischen König am 3. Dezember 1870 persönlich.

Ludwig II. gab mit diesem Schreiben, das dem preußischen König Wilhelm I. die Kaiserwürde des neu gegründeten Deutschen Reichs antrug, den Anstoß zur Kaiserproklamation Wilhelms I. im Spiegelsaal von Versailles, wo sich noch während der Belagerung von Paris im Deutsch-Französischen Krieg die deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte am 18. Januar 1871 zusammengefunden hatten.

Der Text des Kaiserbriefes (Auszug):

„Nach dem Beitritte Süddeutschlands zum deutschen Verfassungsbündnis werden Ew. Majestät übertragenen Präsidialrechte über alle deutschen Staaten sich erstrecken. Ich habe mich zu deren Vereinigung in einer Hand in der Überzeugung bereit erklärt, daß dadurch den Gesamtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem Vertrauen, daß die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung eines Deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet werden, welche Ew. Majestät im Namen des gesamten deutschen Vaterlandes aufgrund der Einigung seiner Fürsten ausüben. Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet, gemeinschaftlich mit mir bei Ew. Majestät in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werde.“

Wilhelm I. übernahm das neue Amt als Deutscher Kaiser nur sehr zögerlich, da er sich in erster Linie als preußischer König verstand. Andererseits waren die süddeutschen Fürsten nicht unbedingt bereit, Wilhelms Wunsch, sich „Kaiser von Deutschland“ zu nennen, zu akzeptieren, da sie keinen neuen Souverän über sich anerkennen wollten. Schließlich war es sowohl Wilhelms wie auch Bismarcks Anliegen, den Akt der Verleihung und Begründung der neuen Würde als einen der deutschen Fürsten und nicht der Parlamente erscheinen zu lassen. Noch deutlich war in Erinnerung, dass 22 Jahre zuvor (1848) Wilhelms Bruder und Vorgänger Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserdeputation, die ihm im Auftrag der Frankfurter Nationalversammlung die Kaiserkrone für ein kleindeutsches Reich angetragen hatte, mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass er die Kaiserkrone nicht ohne „das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der Fürsten und der freien Städte Deutschlands“ annehmen könne, da er kein geborener Kaiser war. Bismarck konnte daher Wilhelms Zustimmung nur gewinnen, wenn ihn die deutschen Fürsten und freien Städte baten, die Kaiserkrone, „die alte, legitime, seit 1806 ruhende Krone deutscher Nation“, wie Wilhelm sie an anderer Stelle beschrieben hatte, anzunehmen. Dies wiederum konnte nur durch den Bayerischen König geschehen, da er – nach dem König von Preußen – als der ranghöchste der Fürsten klein-deutscher Nation galt.

Ludwig II., seit 1864 im Amt, war aber ein Anhänger der Großdeutschen Lösung, einer deutschen Einigung unter Einschluss Österreichs und damit auch unter Führung des österreichischen Kaisers, zudem und vor allem unter voller Wahrung der bayerischen Souveränität. Er hatte die Niederlage im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866, in dem Bayern zusammen mit Sachsen, Baden, Württemberg, Hannover, Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Nassau als Verbündete an Österreichs Seite gestanden hatte, nicht verwunden. Bayern musste Preußen 30 Millionen Gulden Entschädigung zahlen und sein Heer im Kriegsfalle preußischem Oberbefehl unterstellen.

Unter diesem Oberbefehl waren mit begeisterter Zustimmung der Bevölkerung 55.000 bayerische Soldaten 1870, von dem preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm angeführt, in den Krieg mit Frankreich gezogen; Ludwig hatte sich geweigert, die Führung zu übernehmen. Ebenso war er den Siegesfeiern in Versailles ferngeblieben und hatte das an ihn auch seitens der eigenen Regierung und im Auftrage Bismarcks herangetragene Ansinnen, den preußischen König zum deutschen Kaiser zu machen, abgelehnt. Seine Regierung hatte indessen ohne seine Zustimmung bereits den Beitritt zum Deutschen Reich angekündigt, während Ludwig noch Frankreichs Kriegsverluste beklagte.

 

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Novemberverträge

Unter Novemberverträge versteht man die im November 1870 abgeschlossenen Staatsverträge über einen Beitritt der Königreiche Bayern und Württemberg, der Großherzogtümer Baden und Hessen zum Norddeutschen Bund. Eine Neugründung war hierbei nicht vorgesehen, vielmehr sollte der Norddeutsche Bundesstaat sich mit den süddeutschen Staaten zum Deutschen Reich erweitern.

Die Novemberverträge sind im Einzelnen

  • die Vereinbarung zwischen dem Norddeutschen Bund und Baden und Hessen zur „Gründung“ des „Deutschen Bundes“ (nicht zu verwechseln mit dem Deutschen Bund von 1815) vom 15. November 1870
  • der Vertrag des Norddeutschen Bundes mit Bayern vom 23. November
  • der Vertrag des Norddeutschen Bundes mit Württemberg vom 25. November.

Infolgedessen mußte die Verfassung des Norddeutschen Bundes angepasst werden. Viele Änderungen erschienen bereits in der Verfassung des Deutschen Bundes vom 1. Januar 1871, allerdings hatte Württemberg den Vertrag bereits ratifiziert, wodurch die neue Verfassung bereits überholt war. Bayern folgte mit der Ratifizierung erst Ende Januar, ließ die Rechtswirksamkeit aber rückwirkend mit dem 1. Januar beginnen.

Am 18. Januar 1871 folgte die Kaiserausrufung in Versailles, die rechtlich gesehen keine Reichsgründung, sondern allenfalls einen Amtsantritt darstellte. Um das Verfassungsrecht dem jüngsten Stand anzugleichen, erließ man am 16. April die Verfassung für das Deutsche Reich.

Norddeutscher Bund (1867–1870), mit Preußen (blau), rot umrandet. Grün umrandet Bayern mit der bayerischen Pfalz, gelb umrandet Württemberg, braun umrandet Baden und dunkelbraun umrandet Hessen-Darmstadt.

Deutsch-Französischer Krieg

Nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 hatten sich 1867 die norddeutschen Staaten unter preußischer Führung zum Norddeutschen Bund zusammengeschlossen. 1870 erklärte Frankreich unter Napoleon III. Preußen den Krieg und löste damit den Deutsch-Französischen Krieg aus. Frankreich wurde davon überrascht, dass Bayern, Württemberg, Baden und Hessen Preußen zur Seite standen, obwohl bereits seit 1866 gegenseitige Schutz- und Trutzbündnisse bestanden.

Während des siegreichen Krieges hatte sich eine nahende Einigung angebahnt, und der Weg für die Reichsgründung wurde frei. Otto von Bismarck, Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes, drängte im Sinne der kleindeutschen Lösung auf einen Beitritt der verbliebenen souveränen süddeutschen Staaten Großherzogtum Baden, Großherzogtum Hessen, Königreich Württemberg und Königreich Bayern. Deren Regierungen standen der Einheitsbewegung unterschiedlich gegenüber. Es bedurfte daher diplomatischen Geschicks, um gleichzeitig eine scheinbare Souveränität der süddeutschen Staaten zu wahren und die Einheit verfassungsrechtlich zu verankern. Überdies musste außenpolitisch der Argwohn der verbliebenen europäischen Mächte (Russisches Reich, Österreich-Ungarn und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland) vermieden werden.

Haltungen in Baden, Württemberg und Hessen

Das Großherzogtum Baden stand vorbehaltlos hinter der Einigung. Großherzog Friedrich I. und Ministerpräsident Julius Jolly artikulierten bereits am 3. September 1870 Beitrittswünsche. Sie hatten bereits 1867 und wiederholt im Frühjahr 1870 den Eintritt in den Norddeutschen Bund beantragt, den der Norddeutsche Reichstag auf Bismarcks Betreiben jedoch wegen außenpolitischer Rücksichtnahme ablehnte (Interpellation Lasker).

Das Königreich Württemberg war großdeutsch-österreichisch gesinnt. Unter dem Einfluss der württembergischen Deutschen Partei sandte das Kabinett unter König Karl I. am 12. September einen Gesandten in das deutsche Hauptquartier in Frankreich, um Verhandlungen mit dem Norddeutschen Bund über eine Vereinigung zu führen.

Die Regierung des Großherzogtums Hessen war eher großdeutsch eingestellt, jedoch gehörten die nordhessische Provinz Oberhessen und auch die Truppen Südhessens bereits zum Norddeutschen Bund, was eine gewisse Zwangslage für die Regierung unter Großherzog Ludwig III. bedeutete. Auch befürworteten die Bevölkerung und der Thronfolger, der spätere Ludwig IV. die kleindeutsche Lösung. Dementsprechend ließ die Regierung von der großdeutschen Idee ab und trat in Verhandlungen mit dem Norddeutschen Bund.

Haltung in Bayern

Das Königreich Bayern stand von allen vier souveränen Staaten einer kleindeutschen Einheit am stärksten ablehnend gegenüber. König Ludwig II. war stets auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bedacht. Um nicht isoliert zu werden, trat Bayern mit den Vorschlag eines neuen Verfassungsbündnisses in die Verhandlungen ein. Dieses Verfassungsbündnis lief auf die Gründung eines neuen Bundes mit neuer Bundesverfassung hinaus.

Bayern hatte sich vom preußischen König Wilhelm brieflich versprechen lassen, die Selbstständigkeit und Integrität Bayerns zu wahren. Durch den Vertrag vom 23. November 1870 zwischen dem Norddeutschen Bund und dem Königreich Bayern behielt Bayern neben der Kultur- und Steuerhoheit aber auch noch zahlreiche weitere so genannte Reservatrechte, wie eigenes Heer, Postwesen und eigene Eisenbahn. Der bayerische Landtag nahm im Januar 1871 diesen Vertrag nach größten Widerständen, vor allem der bayerischen Patrioten, an.

Unterzeichnung

Vom 22. bis 26. September 1870 fanden in München vorbereitende Konferenzen statt. Bayerns Widerstand schwand, auch wegen Einzelgesprächen von Otto von Bismarck im Oktober und weiterer Einflussnahmen auf den bayerischen König Ludwig II. Baden und Hessen stellten im Oktober Beitrittsanträge, sodass sich der Druck auf Württemberg und Bayern nochmals erhöhte.

Ab Ende Oktober wurden die Verhandlungen im deutschen Hauptquartier bei Versailles mit den bevollmächtigten Ministern der vier süddeutschen Staaten geführt. Auch sächsische Bevollmächtigte wurden hinzugenommen. Zu dieser Zeit war die Belagerung von Paris noch in vollem Gange. Ergebnis der Verhandlungen war die Einigkeit, den Norddeutschen Bund durch Hinzutritt der süddeutschen Staaten in einen Deutschen Bund umzuwandeln. Die Norddeutsche Bundesverfassung sollte analog die Deutsche Bundesverfassung werden.

Dieses Ergebnis wurde in den Verfassungsverträgen vom November 1870 und zwei gesonderten Militärkonventionen mit den vier hinzutretenden Staaten geschlossen: Zunächst kam am 15. November der Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bund auf der einen und Baden und Hessen auf der anderen Seite auf Basis der unveränderten Annahme der Norddeutschen Bundesverfassung zustande. Hierdurch wurde der Name von Norddeutscher Bund in Deutscher Bund geändert, auch wenn die Ratifizierungen noch ausstanden. Nach Verhandlungen mit Bayern und Württemberg wurde die Norddeutsche Bundesverfassung und die wichtigsten Gesetze des Norddeutschen Bundes modifiziert: Insgesamt wurden die föderalen Elemente im Vergleich mit dem Norddeutschen Bund von 1867 stärker betont. Auf dieser neuen Grundlage trat am 23. November Bayern dem Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bund und Baden und Hessen in Berlin bei; Württemberg folgte ebenfalls in Berlin am 25. November. Sämtliche Verträge traten zum 1. Januar 1871 in Kraft, weshalb dieser Tag die formale Geburt des Deutschen Reichs markiert. Am 8. November folgten noch Zustimmungsverträge mit Bayern sowie Württemberg, Baden und Hessen über die zwischen Württemberg, Baden und Hessen und dem Norddeutschen Bund respektive Bayern und dem Norddeutschen Bund geschlossenen Verträge.

Die Novemberverträge bedurften der Zustimmung der Volksvertretungen des Norddeutschen Bundes als auch der Volksvertretungen, da sie mit dem Deutschen Bund (der Name wurde erst später geändert) einen neuen Staat schufen und die bestehende Norddeutsche Bundesverfassung abänderten. Die Parlamente von Württemberg, Baden und Hessen ratifizierten die Verträge im Dezember 1870, Bayern am 21. Januar 1871 mit eindeutigen Mehrheiten. Bei der Abstimmung im Norddeutschen Reichstag nach der dritten Lesung am 9. Dezember 1870 stimmten vor allem die polnischen, dänischen und welfischen Abgeordneten mit Gegenstimmen. Andere ablehnende Lager blieben der Abstimmung fern. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes stimmte am selben Tag für die Änderung der Bezeichnungen in „Deutsches Reich“ und „Deutscher Kaiser“. Am 10. Dezember 1870 passierte die Verfassungsänderung den Reichstag.

Einordnung

Die Novemberverträge bereiteten die sogenannte Reichsgründung vor, indem die Beitrittsbedingungen der Südstaaten geregelt wurden. Dabei änderte sich die Verfassung selbst bzw. das politische System kaum. Von bleibender Bedeutung waren die Sonderregeln für einige Südstaaten, die sogenannten Reservatrechte. Württemberg und Bayern durften eigene Verbrauchssteuern und Eisenbahntarife erheben und erhielten Sonderrechte im Post- und Telegraphenwesen. Sachsen sowie Württemberg und Bayern durften weiterhin eigene Armeen unterhalten; während diese Staaten neben Preußen ihr Heer selbst verwalteten, waren die übrigen Landeskontingente mit der preußischen Armee vereinigt. Diese Rechte und weitere Ausnahmeregelungen blieben bis 1918 in Kraft, auch wenn sie großteils nicht in den Verfassungstexten vom 1. Januar bzw. 16. April 1871 auftauchten.

Die Reichseinigung war vollzogen und das Deutsche Reich wurde gegründet: durch eine „Reichsgründung von oben“, die Vereinbarung der Regierungen einerseits und die Zustimmung der Parlamente andererseits.

 

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Erster Pariser Frieden 1814-15, Wiener Congreß-Acte, Pariser Friedensverträge

Friedens- und Freundschafts-Tractat zwischen Seiner Majestät dem Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, und Allerhöchst Ihren Alliirten einer Seits, dann Seiner Majestät dem Könige von Frankreich und Navarra anderer Seits.Geschlossen zu Paris am 30. und ratificirt am 31. May 1814 

Im Nahmen der allerheiligsten Dreyeinigkeit !

Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, und Höchstdero Alliirten eines Theiles, und Seine Majestät der König von Frankreich und Navarra andern Theils, beseelt von gleichem Verlangen, den Erschütterungen Europa’s und den Leiden der Völker durch einen gründlichen, auf eine billige Vertheilung der Macht gebauten, und in seinen Bedingungen die Bürgerschaft seiner Dauer darbiethenden Frieden, ein Ziel zu setzen, haben Sich um so mehr, als Seine Majestät der Kaider von Österreich und Höchstdero Alliirte gegenwärtig, nachdem Frankreich unter die väterliche Regierung seiner Könige zurückgekehrt ist, und dadurch Europa ein Unterpfand der Sicherheit und Festigkeit seines Systems gegeben hat, auf die Bedingungen und Garantien, welche sie von diesem Staate unter dessen voriger Regierung zu fordern gezwungen waren, Verzicht leisten können, entschlossen, Bevollmächtigte zur Unterhandlung, Festsetzung und Abschließung eines Friedens- und Freundschafts-Tractats zu ernennen, und zu dem Ende ernannt:

Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Ungarn und von Böhmen,
den Herrn Clemens Wenzel Lothar, Fürsten von Metternich-Winneburg-Ochsenhausen, Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des königl. Ungarischen St. Stephan-Ordens, Großadler der Ehrenlegion, Ritter des Russischen Orden von St. Andreas, St. Alexander-Newsky und St. Anna der ersten Classe, Großkreuz des Preussischen schwarzen und rothen Adlers-Ordens; Großkreuz des Würzburgischen St. Joseph, des Bayerischen St. Hubertus, und des Würtembergischen goldenen Adlers, und mehrerer anderer Orden, Sr. kaiserlichen Majestät Kämmerer, wirklichen geheimen Rath, Staats- und Conferenz-Minister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten;
und den Herrn Johann Philipp Grafen von Stadion, Tannhausen und Warthausen, Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des St. Stephans-Ordens, Ritter der Russischen Orden von St. Andreas, St. Alexander-Newsky, und St. Anna der ersten Classe; Großkreuz des Preußischen schwarzen und rothen Adler-Ordens, St. kaiserlichen Majestät Kämmerer, wirklichen geheimen Rath, Staats- und Conferenz-Minister;

Und Seine Majestät der König von Frankreich und Navarra, den Herrn Carl Moriz Talleyrand-Perigord, Fürst von Benevent, Großadler der Ehrenlegion, Großkreuz des Österreichischen Leopold-, Ritter des Russischen St. Andreas- und des Preußischen schwarzen und rothen Adler-Ordens, St. Majestät Minister und Staats-Secretär der auswärtigen Angelegenheiten;

Welche, nachdem sie ihre Vollmachten ausgewechselt und richtig befunden, über nachstehende Artikel sich vereiniget haben:

I. Artikel Es soll vom heutigen Tage an Friede und Freundschaft zwischen Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich, und Höchstdero Alliierten eines Theiles, und St. Majestät dem Könige von Frankreich und Navarra andern Theils, wie auch deren Erben und Nachfolgern, und wechselseitigen Staaten und Unterthanen auf beständige Zeit obwalten.

Die hohen contrahirenden Mächte werden eifrig bemüht seyn, nicht allein unter einander, sondern auch, so viel in ihrer Macht steht, zwischen sämmtlichen Europäischen Staaten die für die allgemeine Ruhe so nothwendige Eintracht zu erhalten.

II. Artikel Das Königreich Frankreich bleibt im vollen Besitze der Gränzen, welche es am 1. Januar 1792 gehabt hat. Es erhält außerdem einen Zuwachs an Gebieth innerhalb des durch den folgenden Artikel bestimmten Demarcations-Linie.

III. Artikel Auf der Seite von Belgien, Deutschland, und Italien, wird die alte Gränze, so wie sie am 1. Januar 1792 bestand, von der Nordsee zwischen Dünkirchen und Nieuport, bis an das mittelländische Meer zwischen Cagres und Nizza mit folgenden Berichtigungen wieder hergestellt:
1. Im Departement von Jemappes bleiben die Cantons von Dour, Merbes le Chateau, Beaumont und Chimay, bey Frankreich; die Demarcations-Linie geht da, wo sie den Canton von Dour berührt, zwischen diesem und den Cantons von Boussu und Patürage, und weiterhin zwischen dem von Merbes le Chateau und denen von Binch und Thuin.
2. Im Departement der Sambre und Maas behält Frankreich die Cantons von Walcourt, Florennes, Beauraing und Gediúne; die Gränze wird, wenn sie dieses Departement berührt, der Linie folgen, welche die gedachten Cantons von dem Departement von Jemappes und dem Überreste des Departements der Sambre und Maas trennt.
3. Im Departement der Mosel wird die neue Gränze da, wo sie sich von der alten absondert, durch eine Linie gebildet, die von Perle bis Fremersdorf läuft, und durch eine andere, welche den Canton Tholey von dem Überreste des Departements der Mosel scheidet.
4. Im Departement der Saar behält Frankreich die Cantons von Saarbrück und Arneval, wie auch en Theil des Cantons von Lebach, der mittäglich von einer Linie liegt, welche längs der Gränzen der Dörfer Herchenbach, Überhofen, Hilsbach und Hall, (die außerhalb der französischen Gränze bleiben) bis an den Punct läuft, wo unweit Querfelle (welches bei Frankreich bleibt) die Linie, welche die Cantons von Arneval und Ottweiler scheidet, die erreicht, welche Arneval von Lebach trennt. Die Gränze wird auf dieser Seite durch die eben beschriebene Linie, und weiterhin durch die, welche den Canton Arneval vom Canton Bliescastel scheidet, gebildet.
5. Da die Festung Landau vor dem Jahre 1792 einen isolirten Punct in Deutschland bildete, so behält Frankreich jenseits seiner alten Gränze einen Theil der Departements vom Donnersberge und Nieder-Rhein, um diese Festung und ihren Bezirk mit dem übrigen französischen Gebiethe zu verbinden. Die neue Gränze geht von dem Puncte ab, wo nahe bey Ober-Steinbach (welches außerhalb der Gränze Frankreichs bleibt) die Gränze zwischen dem Departement der Mosel und dem des Donnersberges, das Departement des Nieder-Rheins berührt, folgt der Linie, welche die Cantons von Weißenburg und Bergzabern (auf der Seite von Frankreich) von den Cantons von Pirmasens, Dahn und Anweiler (auf der Seite von Deutschland) trennt, bis auf den Punct, wo diese Demarcation nahe bey dem Dorfe Villmersheim den alten Bezirk der Festung Landau berührt. Von diesem Bezirke, der so bleibt, wie er im Jahre 1792 war, folgt die neue Gränze dem Arm der Queich, welcher nachdem er diesen Bezirk bey Queichheim (welches Frankreich verbleibt) verlassen hat, unweit der (ebenfalls zu Frankreich gehörenden) Dörfer Merlenheim, Knittelsheim, und Belheim fließt, bis an den Rhein, der von da an die Gränze zwischen Frankreich und Deutschland ausmacht.
In Ansehung des Rheins wird die Gränze durch den Thalweg bestimmt, so jedoch, daß die Veränderungen, welche sich künftig im Laufe dieses Flusses zutragen können, auf den besitz der darin liegenden Inseln keinen Einfluß haben. Der Besitzstand dieser Inseln wird so, wie er sich zur Zeit der Unterzeichnung des Lüneviller Friedens verhielt, wieder hergestellt.
6. Im Departement des Doubs wird die Grenze dahin berichtiget, daß sie oberhalb la Ranconniere, unweit Locle anfängt, und dann an dem Rücken des Jura, zwischen le Cerneur-Pequignot und dem Dorfe Fontenelles, bis zu einer, ungefäht sieben oder acht Tausend Fuß in Nordwesten des Dorfes la Brevine gelegenen Spitze des Jura fortläuft, von wo sie wieder in die alte Gränze fällt.
7. In dem Departement des Leman bleiben die Gränzen zwischen dem Französischen Gebiethe, dem Waadt-Lande, und den verschiedenen Districten des Gebiethes der Republik Genf (die einen Theil der Schweiz ausmachen wird) dieselben, die vor der Vereinigung Genfs mit Frankreich bestanden; hingegen der Canton von Frangy, der von St. Julien (mit Ausnahme des Theils, der nördlich von einer Linie liegt, welche von dem Puncte, wo die Loire in das Genfer Gebieth bey Chancy fließt, längs den Gränzen der bey Frankreich verbleibenden Ortschaften Seseguin, Laconex und Seseneuve fortläuft), der Canton von Reignier (mit Ausnahme des Theils ostwärts von einer Linie, welche an den Gränzen der außerhalb des Französischen Gebiethes bleibenden Ortschaften Müraz, Bussy, Pers und Cornier fortläuft) und der Canton von la Roche (mit Ausnahme der Ortschaften la Roche und Armanoy und ihrer Bezirke) bleiben mit Frankreich verbunden. Die Landes-Gränze wird durch die Gränzen dieser verschiedenen Cantons, und durch die Linien, welche die bey Frankreich verbleibenden Antheile derselben von den übrigen scheiden, gebildet.
8. Im Departement des Mont-Blank erhält Frankreich die Unter-Präfectur von Chamerby (mit Ausschluß der Cantons von l’Hospital, St. Pierre d’Albigny, la Rocette und Montmeliant), und die Unter-Präfectur von Annecy (mit Ausschluß des Theils des Cantons von Faverges, der im Osten einer Linie leigt, die zwischen Qurechaise und Marlenes auf Französischer, und Marthod und Ugine auf der andern Seite läuft, und dann dem Rücken des Gebirges bis an die Gränze des Cantons von Thones folgt). Diese Linie bildet mit der Gränze der obgemeldeten Cantons auf dieser Seite die neue Landes-Gränze.

Die Gränzen in den Pyrenäen bleiben, so wie sie zwischen den beyden Königreichen Frankreich und Spanien am 1. Januar 1792 bestanden, und es soll sofort eine Commission von beyden Kronen zur definitiven Festsetzung derselben ernannt werden.

Frankreich leistet auf alle und jede Souveränitäts-, Oberherrschafts- und Eigenthums-Rechte in den außer der hier beschriebenen Gränze liegenden Ländern, Districten, Städten und Ortschaften Verzicht. Das Fürstenthum Monaco wird jedoch wieder in dieselben Verhältnisse gesetzt, in welchen es sich vor dem 1. Januar 1792 befand.

Die verbündeten Höfe versichern Frankreich den Besitz des Fürstenthums Avignon, der Grafschaft Venaissin, der Grafschaft Mümpelgard und aller in der oben beschriebenen Gränze eingeschlossenen, ehemals zu Deutschland gehörigen Gebiethe, sie mögen nun vor oder nach dem 1. Januar 1792 Frankreich einverleibt worden seyn. Die contrahirenden Mächte behalten sich wechselseitig die unbeschränkte Freyheit vor, jeden Punct ihres Gebieths, so sie es zu ihrer Sicherheit rathsam finden, zu befestigen.

Um jeder Verletzung des Privat-Eigenthums vorzubeugen, und die an den Gränzen liegenden Besitzungen Einzelner nach den günstigsten Grundsätzen zu behandeln, sollen von jeder der mit Frankreich gränzenden Mächte Commissarien ernannt, und diesen aufgetragen werden, in Gemeinschaft mit Französischen Commissarien zur Abgränzung der wechselseitigen Gebiethe zu schreiten. Sobald die Arbeit dieser Commissarien beendiget seyn wird, sollen Karten aufgenommen, und von den Commissarien beyder Theile unterzeichnet, hiernächst aber Gränzpfähle zur Bezeichnung der Gränzen aufgestellt werden.

IV. Artikel Um die Verbindung der Stadt Genf mit andern am See gelegenen Theilen des Schweizerischen Gebieths zu erleichtern, gestattet Frankreich, daß die Straße über Versoy von beyden Ländern gemeinschaftlich benutzt werde. Beyde Regierungen werden sich über die Mittel zur Verhüthung der Cntrabande, über die Regulirung des Postenlaufes, und die Unterhaltung der Straße freundschaftlich mit einander verstehen.

V. Artikel Die Schifffahrt auf dem Rhein von den Puncten, wo er schiffbar wird, bis in das Meer, und rückwärts, soll vollkommen frey seyn, dergestalt, daß niemand davon ausgeschlossen werde; und man wird sich auf dem bevorstehenden Congreß damit beschäftigen, die von den Regierungen an beyden Ufern zu erhebenden Abgaben, auf die gleichförmigste, und dem Handel aller Nationen günstigste Weise zu reguliren.

Es soll auch auf eben diesem Congreß untersucht und bestimmt werden, wie zur Erleichterung der Communicationen zwischen den Völkern, und um sie einander für immer mehr zu nähern, die obige Maßregel auf alle andere Flüsse, die in ihrem schiffbaren Laufe verschiedene Staaten von einander trennen, oder durchströmen, anzuwenden sey.

VI. Artikel Holland, unter der Souveränität des Hauses Oranien, erhält eine Vergrößerung seines Gebieths. Der Titel und die Ausübung der Souveränität kann in keinem Fall einem Prinzen zu Theil werden, der eine fremde Krone trägt, oder zu tragen berufen ist.

Die Deutschen Staaten bleiben unabhängig, und durch ein Förderativ-Band unter einander verknüpft.

Die Schweiz behält ihre Unabhängigkeit, und fährt fort, sich selbst zu regieren.

Italien, außerhalb der Gränzen der an Österreich zurück fallenden Länder, wird aus unabhängigen Staaten bestehen.

VII. Artikel Die Insel Malta, und was von ihr abhängt, soll Sr. Großbrittanischen Majestät Eigenthum mit voller Souveränität bleiben.

VIII. Artikel Seine Großbrittanische Majestät in Ihrem eigenen und Ihrer Alliirten Nahmen verpflichtet sich, Seiner Allerchristlichsten Majestät, in den hiernächst zu bestimmenden Terminen, die Colonien, Fischereyen, Comtoirs und Niederlassungen aller Art, welche Frankreich am 1. Januar 1792 in den Meeren und auf dem Continent von Amerika, Africa und Asien besaß, zurück zu geben, jedoch mit Ausschluß der Inseln Tobago und St. Lucie, wie auch der Isle de France und der zugehörigen Inseln, nahmentlich Rodrigue und Les Sechelles, welche Seiner Brittischen Majestät von Seiner Allerchristlichsten Majestät  als souveränes Eigenthum überlassen werden, desgleichen des durch den Baseler Frieden an Frankreich abgetretenen Theiles von St. Domingo, welchen Seine Allerchristliche Majestät dem Könige von Spanien als souveränes Eigenthum zurückgibt.

IX. Artikel Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen gibt, in Gemäßheit der mit Seinen Alliirten getroffenen Verabredungen und zur Vollziehung des vorhergehenden Artikels, seine Einwilligung, daß die Insel Gouadeloupe Seiner Allerchristlichsten Majestät zurück geliefert werde, und entsagt allen Rechten, die ihm auf diese Insel zustehen könnten.

X. Artikel Ihre Majestät die Königinn von Portugal verpflichtet sich in Gemäßheit der mit ihren Alliirten getroffenen Verabredungen und zur Vollziehung des VIII. Artikels in dem nachher zu bestimmenden Termine das Französische Guyana, so wie es am 1. Januar 1792 bestand, Sr. Majestät dem Könige von Frankreich zurück zu geben. Da aber durch diese Zurückgabe die ehemahligen Streitigkeiten über die Gränzen dieser Provinz wieder eintreten; so ist beschlossen, diese Streitigkeiten unter der Vermittlung Sr. Brittischen Majestät zwischen beyden Höfen gütlich ausgleichen zu lassen.

siehe hierzu aber den Art. 106 und 107 der Wiener Kongreß-Akte vom 9. Juni 1815, die diesen Artikel gegenstandslos werden ließen.

XI. Artikel Die festen Plätze und Citadellen in den nach den drey vorhergehenden Artikeln an Seine Majestät den König von Frankreich zurückfallenden Colonien und Niederlassungen sollen in dem Stande überliefert werden, in welchem sie sich im Augenblick der Unterzeichnung des gegenwärtigen Tractats befanden.

XII. Artikel Seine Brittische Majestät verpflichten Sich, den Französischen Unterthanen, in Rücksicht auf den Handel und die Sicherheit ihrer Personen und ihres Eigenthums innerhalb der Gränzen der Brittischen Souveränität auf dem festen Lande von Ostindien, dieselben Freyheiten, Privilegien und Schutz-Maßregeln, welche die am meisten begünstigten Nationen genießen, oder künftig erlangen könnten, angedeihen zu lassen. Von der andern Seite versprechen Seine Allerchristlichste Majestät, da Ihnen nichts so sehr am Herzen liegt, als den Frieden zwischen den Kronen Frankreich und England aufrecht zu erhalten, und zum Voraus alles, was dereinst das gute Vernehmen zwischen ihnen stören könnte, aus den Verhältnissen beyder Nationen weggeräumt zu sehen, in den an Frankreich zurückfallenden und innerhalb der Gränzen der Brittischen Souveränität gelegenen Niederlassungen auf dem festen Lande von Ostindien, keine Festungswerke anzulegen und keine größere Anzahl von Truppen, als zur Handhabung der Polizey erforderlich ist, zu unterhalten.

XIII. Artikel Das Recht der Fischerey auf der großen Bank von Terre-Neuve, an den Küsten der Insel dieses Nahmens und der umliegenden Inseln, und im Meerbusen von St. Laurent, wird für die Französischen Unterthanen auf eben den Fuß, auf welchem es im Jahre 1792 bestand, wieder hergestellt.

XIV. Artikel Die von Sr. Majestät dem Könige von Großbrittanien und Seinen Alliirten, Sr. Majestät dem Könige von Frankreich zurück zu gebenden Colonien, Comtoirs und Niederlassungen, sollen in folgenden Terminen, nähmlich: die in den nördlichen Meeren, und in den Meeren und auf dem festen Lande von Amerika und Afrika binnen drey Monathen, und die jenseits des Vorgebirges der guten Hoffnung binnen sechs Monathen, von der Ratification dieses Tractats an gerechnet, übergeben werden.

XV. Artikel Da die hohen contrahirenden Mächte sich durch den IV. Artikel der Convention vom 23. Aprill vorbehalten haben, in dem gegenwärtigen Definitiv-Tractat das Schicksal der Arsenäle und Krieges-Schiffe, die sich in den von Frankreich nach dem II. Artikel der gedachten Convention zurück zu gebenden Seeplätzen befanden, näher zu bestimmen; so ist man übereingekommen, daß die gedachten Schiffe und Kriegs-Fahrzeuge, sie mögen ausgerüstet seyn oder nicht, wie auch die Schiffs-Artillerie und Munition, und alle zum Bau und zur Ausrüstung gehörigen Materialien, zwischen Frankreich und die Länder, in welchen jene Seeplätze liegen, in dem Verhältniß von zwey Drittheilen für Frankreich und Einem Drittheil für die Mächte, denen die gedachten Plätze zufallen, getheilt werden sollen. Zu den in obigem Verhältnisse zu vertheilenden Materialien werden auch gerechnet, die im Bau begriffenen Schiffe und Fahrzeuge, die nicht im Stande sind, sechs Wochen nach der Unterzeichnung des gegenwärtigen Tractats vom Stapel gelassen zu werden. Von beyden Seiten werden Commissarien ernannt, um die Theilung zu vollziehen, und eine Nachweisung davon aufzunehmen; und die verbündete Mächte werden zur Rückkehr der Französischen Arbeiter, Matrosen und Beamten, Reisepässe und sicheres Geleit ertheilen.

Die Schiffe und Arsenäle in den Seeplätzen, welche vor dem 23. Aprill in die gewalt der Alliirten gekommen sind, finden sich in diesen Stipulationen nicht mit begriffen, auch nicht die, welche Holland zugehörten, und nahmentlich nicht die Flotte im Texel.

Die Französische Regierung macht sich anheischig, alles, was nach gegenwärtigem Artikel ihr Eigenthum verbleibt, in einer Frist von drey Monathen nach geschehener Theilung abführen, oder verkaufen zu lassen.

In Zukunft soll der Hafen von Antwerpen bloß ein Handels-Hafen seyn.

XVI. Artikel Da die hohen contrahirenden Mächte die Spaltungen, welche Europa beunruhiget haben, einer gänzlichen Vergessenheit überliefert zu sehen wünschen, so erklären und verheißen sie, daß in den durch gegenwärtigen Tractat zurück gegebenen und abgetretenen Ländern, niemand, wes Standes er auch sey, in seiner Person oder in seinem Eigenthume, weder wegen seiner politischen Schritte oder Meinungen, noch wegen seiner Verbindungen mit irgend einem der contrahirenden Theile, oder mit nicht mehr existirenden Regierungen, noch wegen irgend einer andern Ursache dieser Art, es sey denn, wegen einer Schuld-Verbindlichkeit gegen Privat-Personen, oder wegen einer nach Unterzeichnung dieses Tractats begangenen Handlung, zur Rechenschaft gezogen oder beunruhiget werden soll.

XVII. Artikel In allen Ländern, welche, es sey durch den gegenwärtigen Tractat, es sey durch die in Verfolg desselben statthabenden Einrichtungen, unter  eine andere Herrschaft kommen, soll den Einwohnern, sie mögen nun Landesgeborne oder Fremde, und von was immer für einer Nation und Abkunft seyn, ein Zeitraum von sechs Jahren, von der Auswechselung der Ratificationen an gerechnet, verstattet werden, um ihre, es sey vor oder seit dem jetzigen Kriege erworbenen Güter, wenn sie es nöthig finden, zu veräußern, und sich in das von ihnen selbst gewählte Land zu begeben.

XVIII. Artikel Die Alliirten Mächte, um Sr. Allerchristlichsten Majestät auf Neue an den Tag zu legen, wie gern sie alle Spuren der durch den gegenwärtigen Frieden glücklich beendigten Unglücks-Periode verwischen möchten, thun auf den gesammten Betrag der Summen, welche die verschiedenen Regierungen, auf Contracte, die in den seit 1792 geführten Kriegen von der Französischen Regierung abgeschlossen, oder für Lieferungen und Vorschüsse, die derselben geleistet worden, an Frankreich zu fordern haben, Verzicht. Dagegen entsagen Se. Allerchristlichste Majestät jeder Forderung, die sie aus einem ähnlichen Titel an die Alliirten Mächte geltend machen könnten. Zur Vollziehung dieses Artikels versprechen die hohen Contrahenten einander wechselseitig alle Urkunden, Obligationen, und Schriften, die auf solche von ihnen aufgegebene Forderungen Bezug haben, zurück zu stellen.

XIX. Artikel Die französische Regierung verpflichtet sich, die Summen, welche sie außerdem, in Ländern außerhalb ihres Gebiethes, auf Contracte oder anderweite förmliche Verhandlungen zwischen Privat-Personen oder abgesonderten Behörden, und französischen Autoritäten, schuldig seyn möchte, liquidiren zu lassen, und zu bezahlen.

XX. Artikel Die contrahirenden Mächte werden, sogleich nach Auswechslung der Ratificationen des gegenwärtigen Tractats, Commissarien ernennen, um die Vollziehung der sämmtlichen Dispositionen des 18. und 19. Artikels zu bewirken, und darüber zu halten. Diese Commissarien werden sich mit Prüfung der im vorhergehenden Artikel erwähnten Forderungen, mit Liquidirung der in Anspruch genommenen Summen, und den Zahlungs-Mitteln, welche die französische Regierung vorschlagen wird, beschäftigen. Sie werden auch beauftragt seyn, die Urkunden, Obligationen und Papiere, in Betreff der Forderungen, auf welche die hohen Contrahenten wechselseitig Verzicht gethan haben, zu übergeben, dergestalt, daß die Bestätigung des Resultats ihrer Arbeiten diese Verzichtleistung vollständig machen wird.

XXI. Artikel Die auf die Länder, welchen Frankreich entsagt hat, ursprünglich hypothecirten, so wie die für die innere Verwaltung derselben contrahirten Schulden bleiben auf denselben Ländern haften. Diejenigen von diesen Schulden, welche in Inscriptionen auf das große Buch der Französischen Staats-Schuld verwandelt worden waren, fallen daher vom 22. December 1813 an gerechnet, der Französischen Regierung nicht weiter zur Last. Die Documente von jenen, welche zur Inscription bereit, aber noch nicht eingeschrieben waren, werden den Regierungen der respectiven Länder zurück geliefert. Eine Nachweisung von diesen sämmtlichen Schulden soll durch eine gemischte Commission angefertiget und festgesetzt werden.

XXII. Artikel Dahingegen bleibt die Französische Regierung für alle Summen verhaftet, welche die Unterthanen der gedachten Länder als Cautionen, Deposita oder Geld-Consignationen, in Französische Cassen gezahlt haben. Es soll aber auch den in gedachten Ländern angestellten Französischen Unterthanen, welche in die Cassen derselben, unter einem der besagten Titel Gelder niedergelegt haben, der Betrag derselben treulich erstattet werden.

XXIII. Artikel Die Inhaber solcher Ämter, welche Cautions-Leistung erforderten, ohne jedoch mit Verwaltung öffentlicher Gelder verknüpft zu seyn, sollen die eingelegten Summen mit Zinsen, vom Tage des gegenwärtigen Tractates an, in jährlichen Raten von einem Fünftheil des Ganzen, bis zu ihrer vollständigen Befriedigung, in Paris ausgezahlt erhalten. In betreff derer, welche Gelder zu verwalten hatten, soll diese Rückzahlung spätestens sechs Monathe nach Übergabe ihrer Rechnungen erfolgen, den Fall der Veruntreuung allein ausgenommen. Eine Abschrift ihrer Rechnungen soll der Regierung ihres Landes, zur Information und fernern Übersicht ihres Rechnungswesens zugestellt werden.

XXIV. Artikel Die gerichtlichen Deposita, und Geld-Consignativen, welche in Gemäßheit des Gesetzes vom 28. Nivose des Jahres 13 (18. Januar 1805) in die Amortisations-Casse geflossen sind, und welche den Einwohnern der Länder, die Frankreich nicht länger besitzen soll, gehören, werden binnen Jahres-Frist, von der Auswechselung der Ratificationen des gegenwärtigen Tractates an egrechnet, den öffentlichen Behörden der gedachten Länder übergeben, mit Ausnahme solcher deponirten und consignirten Gelder, bey welchen Französische Unterthanen interessirt sind, als in welchem Falle solcher Gelder in der Amortisations-Casse bleiben, und nur gegen Legitimationen, die von den competenten Behörden herrühren, verabfolgt werden sollen.

XXV. Artikel Die Fonds, welche von Communen und öffentlichen Anstalten in die Verwaltungs-Casse, oder Amortisations-Casse, oder irgend eine andere Casse der Regierung niedergelegt worden sind, sollen vom Tage des gegenwärtigen Tractates an, in jährlichen Zahlungen von einem Fünftheil des Ganzen, nach Abzug der den Interessenten geleisteten Vorschüsse, und mit Vorbehalt der von den Gläubigern gedachter Communen und öffentlichen Anstalten auf jene Fonds zu machenden Ansprüche, erstattet werden.

XXVI. Artikel Vom 1. Januar 1814 an, ist die Französische Regierung von der Auszahlung aller Civil-, Militär- und geistlichen Pensionen, und Gnaden-Gehalte, an Personen, die nicht mehr Französischen Unterthanen sind, entbunden.

XXVII. Artikel Die von den Französischen Unterthanen in den ehemahligen Departements von Belgien, dem linken Rhein-Ufer, und den Alpen, außerhalb der alten französischen Gränze, durch Kauf oder sonst titulo oneroso erworbenen National-Domainen, sind und bleiben den Acquirenten versichert.

XXVIII. Artikel In den Ländern, in welchen das Heimfalls-Recht oder andere Rechte von gleicher Art, durch wechselseitige Übereinkunft mit Frankreich aufgehoben, oder welche früher mit Frankreich vereinigt waren, bleibt es ausdrücklich bey der Aufhebung dieser Rechte.

XXIX. Artikel Die Französische Regierung verspricht, die Staats-Obligationen und andere Insturmente dieser Art, welche in den von Französischen Armeen besetzen, oder eine Zeit lang unter Französischer Administration gestandenen Ländern abgeführt worden sind, auszuliefern; wo diese Auslieferung aber auch nicht mehr Statt finden kann, werden dennoch alle Papiere dieser Art als vernichtet angesehen.

XXX. Artikel Die rückständigen Zahlungen noch nicht vollendete, oder nach dem 31. Decemberg 1812 vollendete gemeinnützige Arbeiten am Rhein, und in den durch gegenwärtigen Tractat von Frankreich abgesonderten Departements, bleiben den künftigen Besitzern des Gebiethes zur Last, und werden von der mit Liquidirung der Landes-Schulden beauftragten Commission liquidirt.

XXXI. Artikel Die Archive, Karten, Pläne und Documente, welche den abgetretenen Ländern gehören, oder ihre Verwaltung betreffen, sollen zugleich mit den Ländern selbst, treulich zurück gegeben werden, und wenn dieses nicht sofort geschehen könnte, wenigstens nicht später als sechs Monathe nach Übergabe der Länder.

Diese Stipulation gilt auch für die Archive, Karten und Kupferplatten, die in den von den verschiedenen Armeen augenblicklich besetzten Ländern weggeführt worden seyn mögen.

XXXII. Artikel Binnen zwey Monathen sollen alle, von einer und der andern Seite in dem gegenwärtigen Kriege begriffene Mächte, Bevollmächtigte nach Wien schicken, um auf einem allgemeinen Congreß die Maßregeln, welche die Dispositionen des gegenwärtigen Tractates vervollständigen sollen, festzusetzen.

Der Wiener Kongreß wurde am 1. Oktober 1814 eröffnet.

XXXIII. Artikel Der gegenwärtige Tractat soll binnen 14 Tagen, oder früher, wenn es möglich ist, ratificirt, und die Ratificationen ausgewechselt werden.

    Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Instrument unterzeichnet, und demselben ihr Siegel beygedruckt.

    So geschehen zu Paris am 30. May im Jahre unsers Herrn 1814.

unterzeichnet:

Fürst von Metternich.        Fürst von Benevent

Graf von Stadion

Additioneller Artikel

Die hohen contrahirenden Mächte, um alle Spuren der unglücklichen Begebenheiten, unter welchen ihre Völker gelitten haben, auszulöschen, sind übereingekommen, die Wirkungen der Tractate von 1805 und 1809, in sofern sie nicht durch den gegenwärtigen schon vernichtet worden sind, ausdrücklich für vernichtet zu erklären. In Verfolg dieses Entschlusses verheißen Se. allerchristlichste Majestät, daß die gegen Französische Unterthanen, welche in Sr. kais. kön. apostolischen Majestät Diensten standen, oder gestanden hatten, erlassene Decrete, so wie die darauf gegründeten Richtersprüche, aller Kraft beraut seyn sollen.

Der gegenwärtige Artikel soll eben so gültig seyn, als wenn er Wort für Wort in dem heute unterzeichneten Haupt-Tractate eingerückt wäre. Er soll zu gleicher Zeit mit diesem ratifivirt werden.

    Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Instrument unterzeichnet, und demselben ihr Siegel beygedruckt.

    So geschehen zu Paris am 30. May im Jahre unsers Herrn 1814.

unterzeichnet:

Fürst von Metternich.        Fürst von Benevent

Graf von Stadion

Der Vertrag wurde (mit jeweils geänderter Einleitung und Schluß sowie der Unterschriften) unterzeichnet von Frankreich und
– Österreich
– Spanien
– Großbritannien
– Portugal
– Preußen
– Russland
– Schweden und Norwegen.

 


Quellen: Politische Gesetzsammlung des Kaisertums Österreich, Jahrgang 1814, S. 62
Gesetzsammlung für die  Königlichen Preussischen Staaten Jahrgang 1814 S. 113
© 15. September  2009 – 16. September 2009


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